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100 Jahre Jahrmarkter Chronik


Vor 100 Jahren erschien die erste Jahrmarkter Chronik
Dechantpfarrer Franz Demele verfasste Beitrag zur Geschichte der Gemeinde und Pfarrei/Dokumentation
von Luzian Geier
 
Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges gab es im Banat etwa zwei Dutzend mehr oder weniger umfangreiche und anspruchsvolle Ortschroniken in deutscher Sprache. So für die Städte sowie für Bade- und Kurorte der historischen Region, aber auch für einige damalige Großgemeinden bzw. Marktflecken, wie Detta, Tschakowa, Marienfeld, Perjamosch, Rekasch, Liebling, dann für die kleineren Dörfer Tirol, Johannisfeld u. a. Meist waren Lehrer die Autoren. Kurz vor Kriegsausbruch, Ende 1913, erschien eine erste Arbeit über Jahrmarkt, das damals den neuen Namen Temesgyarmat (seit 1912) trug.

Autor des schmalen, aber für die Gemeinde wichtigen Büchleins war Erzdechant Franz Demele, der erst verhältnismäßig kurze Zeit vorher als Dechantpfarrer die große Pfarrei Jahrmarkt bekommen hatte. Diese Pfarrei war eine relativ gute Pfründe (Stelle), nicht so wohlhabend wie viele Heidegemeinden, aber mit ihren damals rund 5000 Katholiken eine der stärksten Landgemeinden des Bistums und stadtnahe. Genaue Ursachen der Ernennung (ob Wunsch oder Versetzung?) sind uns nicht bekannt. Die Pfarr- und Dechantstelle war nach dem Tod von Ehrendomherr und Dechantpfarrer Mathias Goschy (Bogaroscher, von 1872 bis zum Tod im Dezember 1909 in Jahrmarkt) vakant geworden. Dass aber ein Erzdechant aus einem anderen Banater Erzdechanat hierher kam und mit dem doch hohen Amtstitel bis zum Lebensende in Jahrmarkt blieb, scheint etwas unüblich gewesen zu sein. Vielleicht hatte es auch mit der Einsetzung des neuen Diözesanbischofs Julius Glattfelder zu tun. Genaues bleibt zu ermitteln.

Demele

Wichtiger ist jedoch für die Jahrmarkter, dass der erfahrene Seelsorger aus „schwäbischer“ Familie aus einer ebenfalls nicht reichen Gemeinde (Wetschehausen) sich in Jahrmarkt schnell eingelebt und eingearbeitet hatte. Genaueres zum „Schwäbischen“ ist, dass sein Vater Franz, der hochbetagt 1892 in Wetschehausen gestorben ist, noch in Karlsbrunn/ Mähren zur Welt gekommen war, die Mutter des Pfarrers war Cäcilie Liebich, in Bohnau/ Mähren geboren und 1912 in Jahrmarkt gestorben. Nur drei Jahre nach der Amtsübernahme hatte er – warum wohl? – alle 20 Bände der Pfarrmatriken durchgearbeitet und eine Chronik der Gemeinde und Pfarrei verfasst. Das Manuskript (siehe Kopie der Handschrift/ Inhaltsverzeichnis) legte er 1913 dem neuen Zensor der Diözese vor und dann dem Ordinarius, seinem obersten Chef, der laut Kirchenrecht die Genehmigung erteilen musste für den Druck. Als Zensor setzte Dr. Stephanus Kovacs, geboren 1879 in Pankota und 1903 geweiht, sein „Nihil obstat“ davor, was so viel bedeutet wie keine Einwände, der Veröffentlichung steht nichts im Wege. Am 5. September 1913 erteilte in Temeswar Bischof Julius (Glattfelder de Mor), geweiht am 14. Mai 1911, die „Imprimatur Nr. 4809“. Das war der „Segen“ für die Veröffentlichung eines Werkes eines katholischen Geistlichen seines Kirchensprengels und zugleich für einen Inhalt, der somit der Kirche und dem Kirchenrecht entsprach.

Demele

Weshalb das Büchlein nicht in der diözesaneigenen Druckerei, sondern in der alten und bekannten, vor allem zu kirchlichen Themen renommierten Innsbrucker Felizian Rauch-Verlag und Druckerei heraus gebracht wurde, bleibt auch zu klären. Die Auflage dürfte für die damalige Zeit relativ hoch gewesen sein, weil das Heft in vielen Familien bis in jüngster Zeit verbreitet war, als „Familienbuch“ eingeschätzt wurde (siehe Titelblatt in der Abbildung). Aber auch in den wichtigsten Bibliotheken der banatdeutschen Vereine der Zwischenkriegszeit war es einsehbar.

Demele

Die Broschüre (47 Seiten), die laut Autor keine hohen wissenschaftlichen oder Originalitätsansprüche stellte, trug den Titel „Temesgyarmat. Ein Beitrag zur Geschichte der Entstehung und Entwicklung dieser Gemeinde und Pfarre“ Von Pfarrer Franz Demele. Es sollten nur Skizzen und „Blätter“, aber von bleibendem lokalem Interesse sein. Die chronologische Gliederung ist aus der oben präsentierten Manuskriptseite/ Inhaltsverzeichnis zu ersehen. Der kurzen Einleitung folgen die ebenfalls kurz gehaltenen Kapitel zur Vorzeit und Osmanenherrschaft. Ausführlicher werden die Abschnitte ab der Besiedlung des alten „Serbendorfes“ durch Zuwanderer aus deutschen Landen wie auch aus Luxemburg und Frankreich ab 1720. Weil der Autor die Namen der Ansiedler (mit Herkunftsort wo angeführt, vier Listen, die letzte mit 440 Familiennamen) für die jeweiligen Zuzugsetappen alphabetisch angibt, dürfte das Buch von machen (wie oben im Falle der Familie Rosar aus der Zigeunergasse) als „Familienbuch“ und Beleg für die Herkunft gehalten worden sein. Wichtig ist aber auch das Kapitel über die Gutsherrschaft in der Gemeinde und Pfarrei, weil die meist nichtkatholischen Grundherren die weltlichen Patrone der katholischen Pfarrkirche waren. Der umfangreichste Teil behandelt Pfarrei (seit 1730), Pfarrer, Kapläne (mit Namenslisten), Kirche, Pfarrhaus und Friedhöfe sowie Wichtiges zur Schulgeschichte, weil die Grundschule die längste Zeit konfessionell war, d. h. dass die Kirchengemeinde („Kultusgemeinde“) auch Eigentümer der Schulbauten war. Ebenso des Kindergartens in der Altgasse (Rittmeister-Haus, Hof und Garten).

Interessant für die Bewohner von damals war wohl ebenso der „Schlußanhang“, denn hier berichtet Demele über das, was den Inhalt des „Rahmen“ der Gemeinde und Pfarrei ausmachte, über die Gemeinschaft, deren Eigenschaften und den Geist, der sie auszeichnete: „Die Dokumente, welche aus der Ansiedlungszeit noch vorhanden sind, sind im allgemeinen voll des Lobes jener Ankömmlinge aus Deutschland und Frankreich. Besonders gilt dies von den Pfälzer und Lothringer Ansiedlern der Gemeinde Gyarmath. … Die Ansiedler sind fleißig und willig und gewinnen die Zufriedenheit und Neigung der Behörden, was der Gemeinde alsbald in mancher Beziehung zum Nutzen und Gedeihen ist. Sie sind die ersten, welche eine Pfarre und auch die allerersten, welche in der Umgebung eine Schule bekommen.“ Es handelt sich um das Jahr 1730. Früher hatten nur etwa zehn große Banater Landgemeinden (so Freidorf, Detta, Neupetsch, Neuarad, Rekasch, Tschakowa und ein Jahr vor Jahrmarkt Guttenbrunn) den Status neu gegründeter katholischer Pfarreien erhalten. In diesem Abschnitt geht der Seelsorger, der beispielsweise die Berichte der Kirchenvisitationen, die Historia Domus oder die früheren Ortsbeschreibungen als Quellen nicht erwähnt, auf die Volksfrömmigkeit ein, die Kirchenfeste, Wallfahrts-Prozessionen nach Temeswar, Rekasch oder Bruckenau, auf die frühen Vereine usw.

Der Verfasser beschließt sein Werk, das eine rasche Zuwendung des Seelsorgers für seine Gläubigen belegt, mit folgendem Wunsch: „Mögen die jeweiligen Bewohner dieser Gemeinde niemals jene guten Eigenschaften und Gesinnungen ablegen, welche in der Vergangenheit ihre Voreltern gekennzeichnet haben!“

Demele

Wir wissen nicht zu viel über den Autor, der im Alter von 61 Jahren an einem längeren Leiden im Ort verstorben ist und auf dem unteren Friedhof der Gemeinde Jahrmarkt seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Als er sein zweites Jahrmarkt-Manuskript 1919 zur Veröffentlichung fertig hatte, schrieb er im Vorwort vom 1. Mai 1919, dass die Gemeinde, mit der er es besonders nach dem Krieg nicht immer leicht hatte, nicht ahne, dass er bereits von einer „Todeskrankheit behaftet“ war. In dem erwähnten Nachlass-Buch ist im Anhang ein Brief erstveröffentlicht, der einen Monat vor dem Tod wie ein Testament verfasst wurde, nämlich seine Bitte an einen alten Freund, das Buch nach dem Tod herauszubringen. Sein Wunsch erfüllte erst eine spätere Generation 1992 in Deutschland (142 Seiten, erhältlich bei der HOG).

Demele

 
Der erste Chronist des Ortes und der Weltkriegsjahre daheim war ein Wetschehausener, über ein Jahrzehnt Seelsorger in Jahrmarkt

Franz Demele wurde am 16. September 1862 in Wetschehausen bei Lugosch geboren und kam nach Abschluss des Gymnasiums (1873-1881) ins Temeswarer Priesterseminar (1881-1886). Mit weiteren acht Theologieabsolventen seines Jahrgangs wurde er von Bischof Alexander Bonnaz geweiht (Demele am 7. Juli 1886). Die ersten Kaplanstellen folgten (von 1886 bis 1891) in Bakowa, Fatschet und Battonya, dann Ernennung zum Pfarrverweser in Deutsch-Sanktmichael (1891), Szekelykeve (Sacula, 1892-1898) und Karansebesch (1. September 1898 bis 1910) bzw. hier dann Pfarrer, von 1908 Dechant, dann Erzdechant für das Krassoer (Karascher) Dekanat. Ab 1900 Konsistorialassessor der Tschanader Diözese und über längere Zeit und bis zum Tod im Stiftungsbeirat (in der Zentralkommission) für die emeritierten Geistlichen des Bistums als Vertreter der Pfarrer.


Obwohl Karascher Erzdechant bis zum Lebensende (der spätere Bischof Stefan Fiedler war sein Vize), wurde der Karansebescher Pfarrer Demele 1910 nach Jahrmarkt versetzt, da es noch einen Erzdechant im nahen Orawitza gab. Den Titel eines Erzdechant behielt Demele auch während seiner anderthalb Jahrzehnte Seelsorgearbeit in seiner letzten Pfarrei. Er starb am 20. August 1923 in Jahrmarkt. Wirkte mit als Mitglied in der Zentralkommission der Priesterpensions-Stiftung der Diözese und als Berater („Parochus Consultor“) seitens der Pfarrer (Siehe „Schematismus cleri…“ für das Jahr 1919, S. 13, und für das Jahr 1922, S. 11, 18 und 61.). Eine offizielle Kurzbiographie findet sich im Schematismus für das Jahr 1910, Seite 187, eine knappe Biographie auch im Jahrmarkter Heimatblatt 1992 von Hans Frombach, sowie weitere Daten, leider nichts über die Eltern, bei Dr. Anton Peter Petri in seinem „Biographischen Lexikon des Banater Deutschtums“ aus dem Jahre 1992, Spalte 305.

In Jahrmarkt hat Demele sich erstaunlich schnell eingearbeitet und eingelebt, ob ihm Kaplan Franz Urban, ein Jahrmarkter, dabei hilfreich zur Seite stand, kann nur vermutet werden. Aus seiner Feder stammen einige religiöse Schriften und zwei wichtige Arbeiten über Jahrmarkt: Die erste gedruckte, im Dorf sehr verbreitete Ortsgeschichte, „Temesgyarmat. Ein Beitrag zur Geschichte der Entstehung und Entwicklung dieser Gemeinde und Pfarre“/Imprimatur Nr. 4809, Temesvarini, die 5. Septembris a. 1913, gedruckt in Innsbruck 1913 im alten und bekannten Verlag Felizian Rauch, 46 Seiten. (Unveränderter Nachdruck durch die Heimatortsgemeinschaft 1980, Vertrieb durch Hans Krambo). Der Nachdruck ist bei dieser HOG noch erhältlich).

Die zweite Arbeit war nur als Handschrift erhalten und wurde von der Heimatortsgemeinschaft Jahrmarkt in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Titel „Temesgyarmat während der Kriegszeit 1914 – 1918“ mit HOG-eigenem Vorwort und den Demele-Namenslisten im Anhang veröffentlicht. Die Schrift hatte im September 1919 bereits die bischöfliche Druckerlaubnis erhalten, die schwierige Nachkriegszeit, die Zergliederung des Bistums und der bereits angegriffene Gesundheitszustand des Pfarrers (unheilbare Krankheit) verhinderten jedoch die Herausgabe. Das Temeswarer bischöfliche Ordinariat hat 1992 erneut die Druckerlaubnis erteilt, damit das Buch (142 Seiten) 70 Jahre nach dem Tod des Autors am Anfang der Reihe Jahrmarkter Heimatblätter als Nr. 1 erscheinen konnte. Es ist ein wichtiges Buch über die Gemeinde hinaus, da es die Weltkriegszeit (nicht den Krieg!) aus der Sicht der Daheimgebliebenen präsentiert, deren Nöte und Sorgen, wie wir im Banat kein zweites Buch zum Thema haben. Dem Autor, der die schwierigste Zeit der Madjarisierung im Banat und innerhalb der katholischen Kirche erfahren hatte, ist hoch anzurechnen, dass er diese zwei Heimatbücher in seiner Muttersprache und der seiner Jahrmarkter Landsleute verfasst hat. Daher wurden dem Buch eine Kurzbiografie des Pfarrers (von Hans Frombach) und die Reproduktion eines Gemäldes hinzugefügt, das von einem uns nicht bekannten Maler von Pfarrer Demele angefertigt worden war. Spät erst durften die Jahrmarkter „wahrlich stolz sein“ (Brief Demele vom 21. Juli 1923), ein derart einmaliges Buch zur Weltkriegszeit zu haben.

Über die gesamte Zeit seiner Seelsorgetätigkeit in der Gemeinde war Demele auch Direktor der konfessionellen (katholischen) Volksschule im Ort und in der Filiale Überland. Unter seiner Schirmherrschaft kam das „Kriegerdenkmal“ vor der katholischen Kirche zustand.e

(Diese unveröffentlichte Biographie ist Teil des Kapitels Jahrmarkter Persönlichkeiten für die geplante Ortsmonographie der Gemeinde.)