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Jahrmarkt Geschichte / Chronik Aus der Geschichte einer banatdeutschen Gemeinde Jahrmarkt mit Pfarrfiliale Überland
Von Franz Junginger/Ulm Zwölf
Kilometer nordöstlich von Temeswar liegt die Gemeinde Jahrmarkt. Die Landstraße
nach Lippa streift den westlichen Ortsrand, der Bahnhof der Linie
Temeswar-Radna liegt am Südrand des Dorfes. Der Großteil der Fluren, wie auch
der Siedlungsfläche, gehören mit ihren leichten Erhebungen zu den letzten,
entferntesten Ausläufern des Karpatenvorlandes, zur sogenannten Banater Hecke.
Jahrmarkt wird urkundlich erstmals in den päpstlichen Zehentregistern
aus den Jahren 1334-1335 unter dem Namen Zamar, Garmad, Garmat erwähnt. Bis zum
15. Jahrhundert war Jahrmarkt Krondomäne. Im Jahre 1407 schenkte König
Sigismund seine "possessio regalis Kysgyarmat in comitatu
Themensiensi" dem Adeligen Nikolaus Vajdafalvi Vajdafy und dessen Sohn
Thomas, der von 1418 an sich die Ortsbezeichnung "Gyarmati/ Gyarmata"
zum Beinamen wählte.
Die Grundeigentümer wechselten danach häufig. 1520 kam das Gut
Jahrmarkt in den Besitz des Johann Bradach de Saasvar. 1530 war es Eigentum des
Adeligen Nikolaus Kendeffy, nach dessen Tod 1537 das von Markus Jaksics, und
1538 das der Frau des Adeligen Michael Body. Weiter war Jahrmarkt im Besitz der
Familie Kendeffy und von 1545 bis zur Türkenherrschaft Eigentum des Nikolaus
Czrepovics. Nach 1552 wurde Jahrmarkt zu einem befestigtem Ort unter der
Führung eines Beis. In der "Conscriptio Districtum" des Grafen Franz
Marsigli für die Jahre 1690-1700 ist bei "Neoerrecti pagi circumjacentes
Tömesvar" Jahrmarkt unter "Gyarmata-Utraque" eingetragen. In den
„Conscriptions-Daten" der Temeswarer „Einrichtungs-Sachen de anno
1717" sind Veliki Iermat mit 36 Häusern und Mali Iermat mit 28 Häusern
aufgenommen, die von Walachen (Rumänen) und Raizen (Serben) bewohnt waren.
Nach der Eroberung Temeswars durch Prinz Eugen von Savoyen im Oktober
1716 erscheint Jahrmarkt in den Akten des Wiener Hofkammerarchivs unter dem
Namen "Jarmatha". Ungarn machten daraus später (nach 1800)
"Gyarmat" oder "Gyarmath", was so viel wie
"Kolonie". "Vorort" oder "(An)Siedlung" bedeutet.
Nach bzw. um 1900 taucht der Name "Temesgyarmat" auf, den auch
Pfarrer Franz Demele in der ersten gedruckten Ortsmonographie (1913)
verwendete. Die Banater Schwaben sprachen in ihrer Mundart von
"Johrmark". Daraus ist die deutsche Bezeichnung Jahrmarkt entstanden.
Im Rumänischen unterschied man amtlich zeitweise Giarmata/Gearmata als Ort, und
Iermata/Iarmata als Bahnstation. Gleich nach dem Ersten Weltkrieg erhielt die
Gemeinde den ersten offiziellen rumänischen Namen Iermata Timiseana.
Die Besiedlung von
Jahrmarkt
Die
systematische Besiedlung mit Deutschen setzte 1722 ein. Es war die Zeit, als
der Kameraloberverwalter Clausen auf Grund einer Erkundungsfahrt festgestellt
hatte, dass man in Jahrmarkt 100 bis 120 Familien ansiedeln könne. So kamen 20
deutsche Familien (etwa 100 Personen) nach Jahrmarkt. Sie kamen als "freie
königliche Zinsbauern ohne leibeigeschaftliches Obligo und private Subjektion"
aus der Rheingegend um Mainz. Ihre Zahl wuchs bis 1730 auf 50 Familien mit 250
- 300 Seelen. Sie bauten sich selbst ihre Siedlerhäuser "von Holz,
eingeflochten und verschmiret" in der heutigen Altgasse, während Rumänen
und Serben die Gegend der heutigen Hauptgasse bewohnten.
Als ein gewaltiges Türkenheer 1737 die Landesgrenze
von Orschowa bis Belgrad und Pantschowa bedrohte, flohen die entsetzten
deutschen Siedler in Richtung Temeswar. Mehr als 1000 von ihnen, meist
Werschetzer, aber auch Makowitzer, Moldowaer,
Bogschaner und Belgrader, - waren in Jahrmarkt untergebracht und kehrten
teils erst 1740 und 1741 in ihre früheren Wohnstätten zurück. Einige verbleiben
ständig in Jahrmarkt. Von den Makowitzaern kennen wir heute noch die Namen
Loris, Kronenberger, Nover und von den Moldowaer Probst.
Von der Pest,
die 1738 unter den Soldaten in Temeswar ausgebrochen war, und die auf fast alle
umliegenden Orte übergegriffen hatte, blieb Jahrmarkt wie durch ein Wunder
verschont. Karl Leopold Edler von Möller schreibt in seinem Roman "Reiter
im Grenzland": -Eines Samstagnachmittags rennt ein Bauer durch die Straßen
von Jahrmarkt, dem deutschen Ort bei Temesvar, der Pfarrkanzlei zu. Pfarrer
Bachmann, der gerade über seiner Sonntagspredigt sitzt, blickt betroffen vom
Schreibtisch auf, als der Bauer in seine Stube stürzt. "Was gibt es
denn?" "Herr Pfarrer, die Pest ist bereits in Mercydorf", keucht
der Bote, "und in Fenyes und ... und ..."
"Herr",
eifert der Priester hernach in seiner Kirche allein vor dem Altar kniend,
"Herr, haben wir hierzulande nicht schon genug vom Sumpffieber gelitten ?
Nun schickst du uns auch noch das höllische Luder, die Pest ? Wende sie ab, du
Gütiger, ich bitte dich innigst darum !"
Am Abend läßt er die Gemeinde vor der Kirche versammeln.
"Wir wollen", sagt er
zu der dichtgedrängten Menge, "zusammen wider die Pest beten!
Herr im
Himmel, schütz uns vor der furchtbaren Heimsuchung! Wir sind ein
rechtschaffenes Volk, geben dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was
Gottes ist, und wir haben schon viel erduldet. Prüfe uns daher nicht zu schwer
Herrgott! Wir wissen ja nicht, was die Temesvarer getan haben. Waren vielleicht
hoffärtig, haben die Ehe gebrochen und am Sonntag Karten gespielt, statt die
Messe zu hören. Die Mercydorfer wieder sind keine Deutsche; vielleicht magst du
die Welschen nicht, Herr, aber wir hier, lieber Himmelvater, wir sind Deutsche,
von uns mußt du die Pest fernhalten! Erhör das gute Volk von Jahrmarkt und
erhöre deinen Diener Bachmann, der für seine Gemeinde zu dir fleht!"
Die Leute
liegen auf den Knien. Immer inbrünstiger betet Bachmann aus dem Stegreif weiter
und die Gläubigen beten jeden Satz eifrig nach.
Es ist, als
hätte Gott die Bitten erhört, denn Jahrmarkt bleibt von der Seuche verschont.
Dafür aber mordet sie Mercydorf beinahe aus.
Steuerpflichtige
Jahrmarkter im Jahre 1741:
Jacob Seyfried, Heinrich
Kauffmann, Johann Kauffmann, Johannes Etzler, Michael Stürmer (Schultheiss),
Georg Barbachen, Johannes Wagner, Jobst Krämer, Franz Saar, Heinrich Müller,
Andreas Bauer, Adam Winther, Johannes Löffler, Wilhelm Schneider, Michael
Löffler, Johannes Paulus (Bürgermeister), Bernhard Reinhard, Heinrich Cronenberger,
Philipp Wieland, Mathias Seitz, Hermann Krämer. Sie bezahlten als altansässige
Siedler alle je sechs Gulden an Steuern, zusammen 126 fl. Johannes Gros
brauchte als neuer Siedler nur 3 fl zu bezahlen. Von den Steuern befreit waren:
Christian Gros und Eva N., sowie die Wittwe des Georg Wagner, wegen ihrer
Armut. (Angaben aus Aktendes Temeswarer Verwalteramtes).
Die Zeit von 1741 bis 1763 kann als die zweite
Zuwanderungsperiode bezeichnet werden. Ständig kommen neue Familien aus
Deutschland an. Die meisten wieder aus der linksrheinischen Gegend, denn
viermal wird das Erzbistum Mainz, je dreimal das Erzbistum Trier bzw. das Kurfürstentum
Pfalz und zweimal Lothringen genannt. Trotz Zuzugs neuer Siedler erhöhte sich
die Zahl der deutschen Bewohner Jahrmarkts nicht wesentlich.
Am 1. Januar 1742 schloß die Temescher
Landesadministration mit dem deutschen Magistrat der Stadt Temeswar einen
Vertrag, der die drückenden materiellen Verhältnisse der Banater Hauptstadt
erleichtern sollte. Erstere überließ der Stadtvertretung "die Dorfschaften
Freydorf, Ujpecs, Mecydorf, Jahrmarkt, Bruckenau, Deutsch-Rekasch, Kissoda und
Bessenova zur besseren Subsistenz.“ Die Orte zahlen der Stadtvertretung
zusammen 402 Gulden, der Magistrat mußte davon allerdings an die Administration
eine gewisse Pachtsumme entrichten. Wie gering damals die Bevölkerung war, geht daraus hervor, dass in
den acht steuerpflichtigen Gemeinden nur 347 Familienväter aus 213 "Fakultäten"
(Ansässigkeiten mit Hausgrund und Haus) waren.
In den Jahren
1748 - 1752 kamen fast nur Siedler aus Lothringen ins Banat, davon elf Familien
nach Jahrmarkt, unter ihnen Philipp Kiltzer, geboren am 14.03.1700 in Ebschied
(Hunsrück, damals Lothringen), gestorben am 13.03.1771 in Jahrmarkt. Philipp
Kiltzer hatte damals die meisten Nachkommen im Ort. Er brachte 10 Kinder mit
nach Jahrmarkt, von denen neun in Jahrmarkt heirateten und ebenfalls alle eine
große Familie hatten. In den Wiener Ansiedlungslisten von 1764 finden wir neben
den Merzydorfer, Beschenovaer, Sankt-Peterer, Rekascher, Neupetscher,
Freidorfer und Bruckenauer folgende Jahrmarkter Familien: Adam Glaus, Johann
Schorg, Adam Hartmann, Johann Dietrichheim, Peter Pracht, Franz Poschvan,
Lugasch und Christian Brandstetter.
Unter dem Druck der Wiener Behörden und besonders als Folge
der Intervention des Grafen Clary von Aldringen, beschloß die
Landesadministration folgendes: Die in der Hauptgasse (die noch im 19. Jahrhundert
"Raizengasse" genannt wurde) gelegenen Häuser und Liegenschaften der
"Nationalisten (Raizen und Walachen) werden behördlich abgeschötzt“, ihr
Wert den Eigentümern ausbezahlt und diese nach der Gemeinde Peterda, heutige
Radajevo, umgesiedelt. Pederda kam in den Besitz des Grafen Clary von Aldringen
und wurde nach ihm Clary benannt. Die Zahl der 1765 von Jahrmarkt nach Checea
und 1768 nach Clary (Peterda) umgesiedelten „Nationalisten“ läßt sich nicht
mehr feststellen, es dürften an die 100 Familien gewesen sein.
Wie Ritter von
Kempelen im Jahre 1767 Jahrmarkt sah
Wolfgang Ritter von Kempelen (* 23.01.1734 in
Preßburg, + 26.03.1804 in Wien als pensionierter Hofkammerrat) bereiste vom 12.
September bis zum 18. November 1767 im Auftrag Maria Theresias das Banat. In
einer handschriftlichen "Relation", die im Wiener Hofkammerarchiv
aufbewahrt wird, berichtet er über mehrere Banater Ortschaften. Über Jahrmarkt
schrieb er:
"Zu dem
alten deutschen aus 62 Häusern bestehenden Dorf Iarmatha, nachdeme die daselbst
gewesene Raitzen vor 3 Jahren weggeschoben waren, sind 238 neue Familien
hinzugesetzet worden, und ungeacht dessen ist für diese 300 Familien laut Nr.9
der Grund noch hinlänglich, so zwar, dass 85 Ganze und 215 halbe Bauern Höfe
gemacht werden können.
Bisher haben
die Inwohner nur zu 5 bis 6 Metzen Frucht jährlich angebauet, folglich werden
sie sich sehr glücklich schätzen, wenn einem jeden ein Halber Bauern-Hof, oder
24 Metzen Anbau zugetheilet werden
wird. Zu dem haben sie die schönste Lage, und Anhöhen zum Weinbau, ja die
meisten haben sich schon Weingärten angeleget. Wenn diese Leute einmahl ihren
angemessenen Grund haben, und nur mittelmäßig Fleiss anwenden, so können sie
meines Erachtens vor allübrigen aufkommen. Der Ort ist fast ebenso wie
Merzydorf, das ist auf zwei Hügeln, zwischen welchen sich ein tiefes Tal befindet,
angeleget. Diese weite Abtheilungen der Dörfer führet viel unbequemes mit sich;
Es hat nämlich der eine: oder der andere Theil sehr weit in die Kirche, und so
die Kinder in die Schule zu gehen: der Richter kann seine weit zerstreute
Gemeinde nicht so gut übersehen, und dergleichen. Die Gemeinde wollte sich zwar
gerne theilen, ein jeder Theil einen anderen Richter erwählen, und dergestalten
zwey Ortschaften ausmachen, allein hierzu ist die Entfernung dieser zwey Theile
wieder zu klein, und dieser Zertheilung würde zu vielen Uneinigkeiten und
manchen Streit Anlass geben. Wesswegen ich ihnen solches glatterdings
abgeschlagen habe. Die Häuser haben sich diese Colonisten meist selber gebauet,
worzu ihnen zu 40 fl. vorgestreckt worden; Solche sind wie in Neudorf, weil die
Waldungen gar nicht entfernet sind, von Holz, eingeflochten, und verschmiret.
Die neuen Gässen sind breit genug angelegt worden.
Der Pfarrer ist schon ein Alter und kränklicher Mann, der wegen Schwachheit gar selten Bredigen oder christliche Lehren hält. Er lag eben zur Zeit meines Daseyns krank darnieder, so dass ich ihn gar nicht zu sehen bekam. Der Schulmeister verstehet nichts von der Rechenkunst, und ist auch nicht alleine im Stande alle Kinder, die die Eltern gerne in die Schule schicken wollen, zu lehren. Der Ort ist mit einem Feldscherer versehen, und von den Kranken hat der meist Theil seine Gesundheit wieder erlanget. Übrigens sind die Inwohner mit dem empfangenen Vieh und Requisiten ganz zufrieden, und haben nur folgende drey Beschwerden vorgebracht, nähmlich: - 1mo. Dass sie nur einen einzigen zwischen dem Alten und Neuen Dorf im Thal gelegenen Brunn hätten, welches zwar wegen sein ungemein guten Wasser in der ganzen Gegend berühmt und wegen seiner starken Quälle für beide Örter hinlänglich, hingegen aber so weit entfernet ist, dass sie bey entstehender Feuers-Brunst eine nur sehr langsame Hilf haben könnten. - 2do. Dass die bey dem Alten Orte befindlichen zwey Pferd-Mühlen die Vermahlung ihrer Früchten nicht befördern könnten. - 3tio. Dass ihnen die von den geschobenen Wallachen abgelöste Zweschgen-Bäume zugetheilt, und der Betrag dafür in ihre Büchl angeschrieben, worden wäre; Nach der Hand wären erst die Haupt-Gassen ausgestrecket, und ein grosser Theil ihrer Bäume umgehauen worden, worüber sie schadlos gehalten zu werden bitten." Wolfgang von Kempelen machte diesbezüglich folgende Vorschläge: "Über diese drey Punkten wären ohnmassgeblich bey der Landes-Administration zu verordnen, und zwar ad 1mum, dass in diesem neuen Orte also bald 2 oder 3 öffentliche Brünnen gegraben und so auch ad 2dum wenigstens noch eine Ross-Mühle errichtet und 3tio eine nochmalige Revision und Conscription der dortigen Zweschgen-Bäume vorgenommen und einen jeden Hauswirth nur soviel zugeschrieben wurden, als ihm würcklich zugefallen seynd." In dem "von Seiten der angeordneten Impopulations-Comission abgefassten Protocollum" Kempelens vom März - April 1768, das der Kaiserin "zur allergnädigsten Einsicht und Genehmhaltung" vorgelegt wurde, ist in dazu folgendes vermerkt: "... ist ein anderer tauglicher Schull-Meister anzustellen und dass von dem Kempelen, wegen von der Gemeinde vorgebrachten 3 Beschwerdepunkten eingerathe und an die Administration zu verordnen." So wurden dann zwei Brunnen mit gutem Trinkwasser gegraben. Beide wurden zu Beginn unseres Jahrhunderts verschüttet. Einer wurde im Garten des Mathias Blasy (Hauptgasse) in den 70-ger Jahren wiedergefunden. Auf der Original-Aufnahmekarte des Temeswarer Banats, ausgeführt in den Jahren 1769 bis 1772 unter der Direktion des Obersten Elmpt vom Generalquartiermeisterstab, ist die Familienzahl und deren Bodenbesitz wie folgt angegeben: Alt Iarmata: 125 Familien 3518 Joch und 1183 Klafter. Neu Iarmata: 202 Familien 5033 Joch und 1296 Klafter. Die größte Einwanderungswelle erfolgte in den Jahren 1768-1770. Da die Häuser noch nicht fertig waren, wurden die Siedlerfamilien mit noch zwei bis drei, oft kinderreichen Familien unter einem Dach untergebracht. Durch die Banater Schlafkreuzerrechnungen sind uns viele Namen dieser Familien erhalten geblieben. Die untenstehende Tabelle gewährt uns einen Einblick über die Zahl der Familien und Personen, die von Freitag, den 22. Juni 1770, bis Mittwoch, 18. Juli 1770, in Jahrmarkt einquartiert waren: 264 Familien mit 256 Männern, 215 Frauen, 259 Knaben und 275 Mädchen, zusammen 1.005 Personen.
Gesamt: 264 Familien
In den Jahrmarkter Matrikelbüchern kommen in dieser dritten Einwanderungsperiode 440 neue Siedlerfamilien vor. Bei 353 sind Ursprungsort und Land vermerkt. Es stammten demnach die Familien in folgender Zahl aus den angeführten Ländern, wobei die Territorien nach den Gliederungen des 18. Jahrhunderts angeführt sind:
* außer Elsaß und
Lothringen
** Schwarzwald
Kaum hatten die ersten 250
deutschen Siedler in Jahrmarkt Fuß gefaßt, bekam der Ort auf Intervention des
Grafen Mercy am 1. Januar 1730 seine eigene Pfarrei und in der Person des
Pfarrers Bartholomäus Bachmann einen der wenigen katholischen Priester, die
damals in Banat tätig waren. Er bezog in der mittleren Altgasse ein Haus wie
die übrigen Siedler. Am Tag seiner Einstellung legte Pfarrer Bachmann die
Matriken an, die seitdem ohne Unterbrechung geführt werden. Als erstes Gotteshaus
wurde im Jahre 1731 in der Nähe des Pfarrhauses eine Holzkirche errichtet. Die
am 9. Mai 1732 durch Bischof Baron Adalbert von Falkenstein zu Ehren des
heiligen Josef geweiht wurde. Das erste große Ereignis folgte 20 Tage später:
Am 29. Mai 1732 wurden in Jahrmarkt durch Bischof Falkenstein 48 Personen
gefirmt. Nach dem diese Holzkirche am 24. Juli 1764 zusammen mit 38 Bauernhäusern
einem Großbrand zum Opfer fiel, wurde sieben Jahre später in der
"Raizengasse",der heutigen Hauptgasse, mit dem Bau einer neuen Kirche
aus "hartem Material" begonnen. Am 2. Mai 1773 wurde die neue Kirche
im Auftrag des Bischofs von Domprobst Anton Peter de Valpott zu Ehren des
heiligen Josef feierlich eingeweiht. Im Jahre 1935 wurde der Turm der Kirche
umgebaut und erhielt seine heutige Form. Ein Zierstück im inneren ist das
prächtige Marienbild am Seitenaltar, das längere Zeit für ein Original von
Lukas Cranach (1472 - 1553) gehalten wurde. Heute nimmt man an, dass es von
einem seiner Schüler stammt.
Das heutige katholische Pfarrhaus wurde im Jahre 1861 erbaut, nach dem ein Jahr vorher das 1772 errichtete abgetragen worden war. Von den 30 Pfarrern, Ordenspriestern und 120 Kaplänen, die seit 1730 in Jahrmarkt gewirkt haben, waren die bekanntesten: Bartholomäus Bachmann (1737-1740), Pfarrer; Josef Wohlfahrt (1769-1786), Pfarrer, Dechant, päpstlicher Protonotor; Mathias Natly (1799-1838), Pfarrer, Dechant; Lorenz Schlauch (1863-1872), Pfarrer, später Bischof und Kardinal; Mathias Goschy (1872-1909),Pfarrer, Ehrendomherr; Franz Demele (1910-1923), Pfarrer, Dechant, Verfasser der ersten gedruckten Ortsmonographie; Nikolaus Anton (1923-1964), Pfarrer, Dechant, Erzdechant; Sebastian Kräuter (1946-1983) Pfarrer, Dechant, Ordinarius, Bischof; Franz Kräuter (1983-1986), Pfarrer Dechant, Monsignore; Lorenz Zirenner (1989-1991), letzter Jahrmarkter Pfarrer, Dr. theol., Domherr. Der heutige Altbischof Sebastian Kräuter hat nicht nur lange, sondern wohl auch am segensreichsten im Ort gewirkt. Der erste katholische Friedhof nach der Ansiedlung war in der Altgasse rings um die Holzkirche (daher „Kerchuff“). Auf unserem ersten katholischen Friedhof wurden vom Jahre 1730 bis 1777 2086 Personen beigesetzt. Das Schreckensjahr Juli 1770 - Juni 1771 wirkte sich katastrophal auf die Jahrmarkter Siedler aus. Durch das Ungarische Fieber ("Morbus Hungaricus") vom 1. Juli 1770 bis 30. Juni 1771 erlagen in Jahrmarkt von etwa 2000 Seelen 711 Personen. Im Juli trug man täglich 5 bis 6 Tote auf den Gottesacker, im August 6 bis 8, im September gar 10 bis 13. Pfarrer Josef Wohlfahrt war verzweifelt. Im Juli 1770 schrieb er auf das Vorblatt des Sterberegisters: "Ist unter den eingewanderten Ansiedlern das große Sterben ausgebrochen. Der Friedhof ist voll. Was soll aus der Gemeinde werden?" Besonders die im Spätherbst 1769 hier angesiedelten etwa 100 Luxemburger Familien fielen dem Massensterben zum Opfer. Vom 1. Juli bis 31. Dezember starben 204 Familienmitglieder der Luxemburger am Fieber. Untenstehende Tabelle zeigt die Gesamtzahlen der Todesopfer vom 1. Juli 1770 bis 30. Juni 1771:
Total: 711 Personen Die folgende Tabelle zeigt, dass die Sterblichkeit unter den Kindern am höchsten war:
1777 eröffnete
die Gemeinde an der Rekascher Straße einen 3,8130 ha großen Friedhof, den heutigen
"unteren Friedhof". Da dieser von Teilen des Ortes weit entlegen war,
wurde im Jahre 1810 neben dem "kaiserlichen Magazin" mit 2,1909 ha
der "obere“ Friedhof angelegt. In den Jahrmarkter römisch – katholischen
Kirche wurden 34518 Kinder getauft uns 9204 Ehen geschlossen.
In der Kirchengemeinde gab es 30.012 katholische Beerdigungen. auf dem ersten katholischen Friedhof (Altgasse) wurden 2086 Personen, auf dem unteren Friedhof rund 16.000 Personen und auf dem oberen Friedhof rund 12.000 Personen beigesetzt. Erwerbsleben in Jahrmarkt
Im Gegensatz
zu den meisten Heidegemeinden, gab es in Jahrmarkt bis 1945 viel mehr
Handwerker, Kleinhäusler und Taglöhner als Bauern. Die jüngste Statistik vom 8.
Mai 1943 unter Gemeinderichter Sebastian Rossner weist 887 Feldbesitzer (meist
Familien) auf, davon jedoch 119 mit unter einem Joch, 399 mit zwischen einem
und 4,75 Joch , ferner 132 mit zwischen 5 und 9,75 Joch, weitere 129 mit
zwischen 10 und 19,75 Joch; über 50 Joch besaßen 23 Familien. Insgesamt
befanden sich 7.484 Joch in Privatbesitz.
Von den Handwerkern waren die meisten Bauarbeiter, vor allem Maurer und Zimmerleute. Erst die enteignete und entwurzelte Nachkriegsgeneration hat sich mehr auf technische und intellektuelle Berufe umgestellt. Über 1.600 Personen fuhren täglich nach Temeswar zur Arbeit, aus manchen Familien drei bis vier Angehörige. Opfer der Weltkriege und Russlanddeportation
Im Ersten Weltkrieg 1914-1918
hatten Jahrmarkt und die Tochtersiedlung sowie Pfarrfiliale Überland in der
österreichischen und ungarischen Armee 170 Gefallene, Verstorbene oder
Vermisste zu beklagen. Während des Zweiten Weltkrieges gab es in der
rumänischen und deutschen Armee 205 gefallene, verstorbene oder vermisste
Jahrmarkter und Überländer. In der sowjetischen Deportation bzw. an von dort
mitgebrachten Krankheitsfolgen starben 129 Jahrmarkter und Überländer, davon 29
Frauen und Mädchen. (Siehe auch: Opfer der Weltkriege / Deportierte)
Zu den im
Jahre 1781 verlizitierten 40 deutschen Siedlerdörfer zählte auch Jahrmarkt. Der
Ausrufungspreis betrug 72.341 Gulden. Mit 90.426 Gulden wurde es 1781
Privateigentum des Gutsbesitzers Michael Sandor. Es wechselte in den folgenden
Jahren einige Mal seine Besitzer. So um 1785 an Grafen Johann Michael von
Althann, 1790 kaufte es Johann Köszeghi de Remete, und 1792 zählte der Ort
wieder zu den Gütern seines ersten Grundherrn Michael Sandor. 1794 verkaufte es
Sandor um 42.000 Kronen an den Grafen Stephan Gyürky de Losonczi. In dieser
Zeit erreichten Gemeinde und Pfarrei eine Glanzperiode. Seinem großen Einfluss
gelang es, dass König Franz I. die Gemeinde Gyarmath im Jahre 1807 zum
Marktflecken erhob. Eine Flur des Gutes heißt noch heute nach ihm
"Stephansberg". Nach seinem Tode erben die Güter im Banat einerseits
sein Sohn Paul von Gyürky, anderseits Ludwig Ambrozy de Seden. Diese setzen
sein begonnenes Werk fort, lassen neue Hauspläze und kleine Parzellen ausmessen
für Interessenten, es siedeln die sogenannten "Kontraktualisten",
Kleinhäusler, welche verpflichtet sind, der Herrschaft die gebräuchlichen
Zehentabgabe zu leisten. Durch diese Vergrößerung der Gemeinde entstehen nach
dem Jahre 1806 die Johanni-Gasse, die Elisabeth-Gasse (später Neue-Gasse), die
Zigeuner-Gasse und die Karls-Gasse. Die Hälfte des Ambrozy'schen Besitzes kam
schon unter Ludwig von Ambrosy in fremde Hände. Nach dem der Anteil in kurzer
Zeit oft die Besitzer gewechselt, erstand diese 500 Joch Freiherr Ernst von Gudenus.
Auch dieser hält sie nur kurze Zeit. Sein Schwager Baron Julius von Csavossy
verkaufte das Gut 1909, welches an Jahrmarkter parzelliert wurde. Die Gemeinde
erwarb 1909 das ehe-malige Kastell des Barons Ernest von Gudenus und lies es in
eine Schule umändern.
Im Jahre 1766
mussten die römisch-katholischen Pfarrämter des Banats infolge einer Wiener
Verordnung und Weisungen des Tschanader Bischofs eine Konskription der katholischen
Seelen vornehmen, wobei die Siedler, die von 1722 bis 1764 ins Banat gekommen
waren unter der Rubrik "alte", jene aber, die 1765 bis 1766
angesiedelt wurden, unter der Rubrik "neue Kolonisten" gezählt
wurden. Laut dieser Konskription betrug die Zahl der "alten"
Ansiedler in Jahrmarkt am 31. Dezember 1766:
360 Seelen.
Die Zahl der Wohnhäuser betrug im Jahre:
Bereits mit der Einrichtung der
Pfarrei 1730 wurde in Jahrmarkt der erste Lehrer eingestellt. Ab 1768 waren in
Jahrmarkt jeweils zwei Lehrer tätig, ein Oberlehrer und ein Unterlehrer. Im
Jahre 1830, als Jahrmarkt etwa 400 Schüler hatte, konnte Pfarrer Mathäus Natly
die Gemeinde endlich bewegen, ein Schulgebäude neben der Kirche zu errichten.
Zur Erweiterung der Schule kaufte die Gemeinde um 1860 das alte
"Rittmeistergebäude" in der Altgasse und baute es in eine Schulklasse,
Kindergarten und zwei Lehrerwohnungen um. Im Jahre 1909 hatte die Gemeinde das
ehemalige Kastell des Barons Ernest von Gudenus erworben und ließ es in eine
Schule umändern. Die ersten namentlich festgehaltenen und uns bekannten Lehrer
in Jahrmarkt waren: Johannes Landing 1730/31 und 1741/42; Clemens Sonnen um
1740; Johann Michael Latz um 1750; Michael Junger 1755-1759; Johann Kolaus bis
1758; Joseph Wendel nach 1762; Lorenz Staud um 1763; Jakob Nix um 1766 bis nach
1784; Johann Adam Georg Handl etwa 1777 bis nach 1782; Joseph Habers tätig etwa
1781 bis 1798; Adam Heich/Haich 1808/09 bis 1815, nach 1848 Christoph König und
Mathias Czippel, in den folgenden 60er Jahren Jakob Pesch, Franz Haag, Franz
Lukasz und Andreas Ostie.
Schülerzahlen in den Jahren 1778-1844:
Vereinsleben In Jahrmarkt herrschte seit langem, vor allem aber zwischen den beiden Weltkriegen, ein reges Vereinsleben. Der älteste Verein war wohl der Schützenverein, der von den Vorfahren aus der alten Heimat mitgebracht worden war. Pfarrer Demele berichtet in seiner Ortsonografie, dass die Schützen des Ortes 1831 ihre alten, mitgebrachten Uniformen ablegten und ungarische Uniformen anzogen. Der Verein wurde 1926 von den rumänischen Behörden aufgelöst. Zünfte, Freiwillige Feuerwehr, Gewerbekorporation, Musikkapellen wurden noch im 19. Jahrhundert gegründet. Vor dem Ersten Weltkrieg kamen der Bauernverein, Leseverein, Bankverein und Leichenverein hinzu. In den Zwanziger Jahren wurde in Jahrmarkt der Deutsche Katholische Jugendverein (1936/1937: 78 Mitglieder); der Deutsche Katholische Mädchenkranz (1936/1937: 70 Mitglieder); der Deutsche Katholische Frauenverein und der Deutsche Katholische Gesangsverein gegründet. An politischen Organisationen gab es in Jahrmarkt nach dem Ersten Weltkrieg bis Mitte der dreißiger Jahre eine stark gewerkschaftsorientierte Arbeiterpartei. Diese wurde nach dem Krieg neu gegründet, aber bald mit der Kommunistischen Partei zur Rumänischen Arbeiterpartei zusammengeschlossen. Die Deutsche Volkspartei waren in Jahrmarkt nicht sehr aktiv, wohl aber die „Deutsche Volksgruppe Rumäniens“ bzw. ihre Gliederungen Deutsche Jugend (DJ) und Deutsche Mannschaft (DM). Anfang der
fünfziger Jahren stellte die Jahrmarkter Staatsfarm eine Handballmannschaft aus
fast ausschließlich deutschen Jugendlichen auf, die unter dem Namen
"Timpur Noi" jahrelang Spitzenerfolge erzielen konnte. Die
Musikkapellen Loris (drei Generationen seit 1908), Kreuter, Kern und Kaßner haben
trotz Rivalität untereinander viel dazu beigetragen, den Namen
"Jahrmarkt" über die Grenzen des Banates hinaus bekannt zu machen.
Heute sind Jahrmarkter in vielen erfolgreichen Musikkapellen Deutschlands
vertreten.
Die Jahrmarkter in Amerika gehen
im wesentlichen auf zwei Einwanderungswellen zurück: Die erste Welle vor der
Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg, die zweite, etwa 1920-1924, mit Höhepunkt
in den Jahren 1923-1924. In der Zeit von 1904 bis 1908 sind aus Jahrmarkt 547 Personen ausgewandert (nach Chicago,
Ohio, Boltimore, Detroit). Sie haben in diesen wenigen Jahren mit der Post
723.597 Kronen nach Jahrmarkt geschickt. Nikolaus Pesch (geb in Jahrmarkt am 20. Februar 1896 + Chicago
3. September 1968) unser bedeutendster Landsmann in Amerika, wurde 1947 auf
einer Tagung in Cleveland zum Präsidenten aller donauschwäbischen
Hilfsorganisationen gewählt und war langjähriger Präsident der American Aid
Society. Er erlernte 1909-1912 das Schneiderhandwerk in Jahrmarkt, ging 1912
als Geselle auf die "Walz", kam nach Österreich, leistete 1915-18
Kriegsdienst an verschiedenen Frontabschnitten, gelangte dann 1919 - 21
nach Lugosch, arbeitete von 1921 bis
1923 in Wien als Schneider. Im September 1923 zog er nach Amerika, eröffnete in
Chicago 1926 eine Werkstätte für Maßkleidung. Bei 5.322 Einwohner im Jahre 1900
lebten davon 25 in Amerika, 1910 waren 362 im Ausland. Bis Anfang der 60er Jahre
waren zehn Personen durch Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen,
gegenwärtig sind es über 4.000.
Wenn wir die
heutige Jahrmarkter „schwäbische“ Mundart untersuchen, merken wir, dass anders
gesprochen wird, als dies nach der Zusammensetzung der Siedler eigentlich
erwarten würden. Es ist ein südwest-reinfränkischer Mischdialekt, der nur nach
sehr genauen Beobachtungen seine luxemburgisch-moselfränkischen und pfälzische
Elemente verrät. Das ist so merkwürdig, dass Forscher darüber rätseln, wie sich
das Verhältnis zwischen Herkunft und heute gesprochener Mundart genau erklären
lässt. Auf die Ausgestaltung der heutigen Jahrmarkter Mundart hat höchst
wahrscheinlich die vierte und letzte Einwanderungswelle den stärksten Einfluss
ausgeübt. Diese setzte sich aus solchen Zuwanderern zusammen, die nicht direkt
aus Deutschland kamen, sondern sich in verschiedenen Dörfern des Banats oder
anderen Gegenden Ungarns eine Zeit aufgehalten hatten (Binnenwanderungen). So
die Feststellungen von Germanisten der Universität Budapest im Jahre 1929.
Die Jahrmarkter Heimatortsgemeinschaft
Die deutsche
Pfarrgemeinde Jahrmarkt gibt es seit 1992 nicht mehr. Wie sieht unsere einst so
schöne Gemeinde Jahrmarkt heute aus? Verarmt, traurig, trostlos und verlassen,
aus einst schmucken Häusern schauen fremde Menschen aus den Fenstern. Was ist
uns heute noch geblieben? Die Kirche, der Prinz-Eugen-Brunnen, unsere beiden
Friedhöfe mit den Tausenden Toten und schöne Erinnerungen. Bis auf 15 Personen
sind die Jahrmarkter Deutschen fast alle in Deutschland (Ballungszentren sind in Rastatt,
München, Reutlingen, Osthofen, Worms, Ingolstadt, Singen, Karlsruhe u.s.w.).
Wenige leben im mittleren Teil der Bundesrepublik und eine kleine Zahl in
Norddeutschland oder in Streulagen.
Die Heimatortsgemeinschaft Jahrmarkt wurde im September 1972 in Reutlingen anlässlich des 1. Heimatortstreffens gegründet. Initiator war damals der gewesene Gemeinderichter Georg Frombach (gest. am 02.05.1976 in Frankenholz/ Saar), seine Unterstützer Hans Frombach (+ 04.04.1999 in Osthofen), Kaspar Blasy, Franz Hovacker (+ 23.07.1982 in Reutlingen), Adam Grund (+ 15.05.1997 in Reutlingen), Franz Urban aus Österreich u. a. Den Vorsitz übernahm Hans Frombach, der die HOG dann 25 Jahre lang engagiert leitete. Zu Pfingsten 1997 übernahmen den Vorsitz Luzian Geier und Franz Junginger, zwei Jahre später wurde Helene Eichinger zur neuen Vorsitzenden gewählt. Die Treffen der Jahrmarkter finden jedes zweite Jahr statt. Die ersten elf Treffen wurden in Reutlingen abgehalten. Zwei Jahrzehnte lang war Kaspar Blasy Organisationsleiter der Heimatortstreffen. Unterstützt wurde er von Franz Hovacker und nach dessen Tod von Nikolaus Pannert. Hauptorganisatoren der vier Treffen in Rastatt (1993-1999) waren Berthold Ebner und die Brüder Hans und Jakob Ebner. Überland
Überland war weitgehend
eine Jahrmarkter Tochtersiedlung, langsam gewachsen ab 1806 auf den
Überlandfeldern. Die Siedlung hatte eine Fläche von 375 Katastraljoch. Anfangs
wurden jeweils 3 bis 6 Joch als Weingarten an Jahrmarkter verteilt. Die neuen
Weinbauern hatten je ein Winzerhaus gebaut. Eine Legende besagt zum Namen, dass
die Jahrmarkter sagten, wenn sie in diese Weingärten fuhren " wir Fahren
über Land". Daher der "Überland" , was natürlich nicht stimmt,
weil es auch anderwärts Überland-Fluren gab.
Eine erste amtliche Erwähnung als Ort findet sich im „Schematismus“ der damaligen Tschanader Diözese als „Uiberland vin.“ 1851, später erscheint die ungarische Übersetzung Gyarmata-Szölök und auch Kisgyarmata-Puszta, rumänisch nach dem Ersten Weltkrieg Viile Iermatei. Da durch die Reblaus in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts die Weingärten total vernichtet wurden (in dieser Zeit entstand angeblich der Name Kisgyarmata-Puszta) und viele Winzer wegzogen, wurden viele Felder verkauft. So kamen neue Siedler aus Jahrmarkt, Kowatschi (lange Zeit ebenfalls Filiale der Jahrmarkter Pfarrei), Sanktandres, Bruckenau, Bentschek aber auch aus Neubeschenowa, Hodoni und Knees sowie Rumänen aus Cerneteaz, Giroda, Janova und Fibisch. Der Winzer Nikolaus Zenzer (mit dem größten Haus) stellte ein Zimmer als Schule zur Verfügung. Der erste Lehrer war ein Winzer Hans Tomas. Er brachte den Kinder das Lesen und Schreiben bei. Im Schuljahr 1865/66 berichtete bereits ein gelernter Lehrer, Josef Schweininger, die vierzig schulpflichtigen Kinder in einer Klasse. Hier begann 1905 der langjährige spätere Jahrmarkter Lehrer Michael Zimmerer seine Berufslaufbahn. Die Überländer waren keine vermögende Leute, sie bebauten ihre 1-2 Joch Felder und nebenbei Pachtfelder in den Nachbargemeinden. Hauptbeschäftigungen war Ackerbau und Milchwirtschaft, jede Familie hatte 1-3 Milchkühe. Die Milch wurde jeden Tag zeitlich nach Temeswar geliefert. Auch waren die Verdienstmöglichkeiten in der nahegelegenen Stadt und dem nahen Jagdwald gut, besonders nach dem Bau der Bahnlinie Temeswar-Lippa 1895. Überland hatte im Jahre 1851 197 deutsche (katholische) und 129 orthodoxe Einwohner, 15 Jahre später waren es schon 270 Deutsche; 1905 zählte Überland 700 Einwohner, davon 500 Deutsche, nach dem Ersten Weltkrieg waren es mit 453 etwas weniger, dann 1940 nur noch 423. 1946 lebten 115 deutsche und 76 rumänische Familien im Ort, 1980 waren es 240 Deutsche, 1983 noch 150. Im Jahr 1984 lebten von den Deutschen 54 Familien in Überland und 48 Familien in Deutschland. Jahrmarkter Veröffentlichungen: Karl F.
Waldner, Isabella Regenyi: Siedler der Gemeinde Jahrmarkt. Homburg, 1979, 29
Seiten;
Franz Demele: Temesgyarmat. Ein Beitrag zur Geschichte der Entstehung und Entwicklung dieser Gemeinde und Pfarre. Innsbruck 1913, 46 S.; Von Hans Krambo im Fotokopierverfahren vervielfältigt und noch erhältlich. HOG Jahrmarkt (Hg.): Jahrmarkt in Banat. Das Dorf rings um den "Großen Brunnen" 1983, 238 S. Stefan Stader: Ortssippenbuch der katholischen Pfarrgemeinde Jahrmarkt im Banat, 1985; 495 S. Franz Frombach: Phingstnägelcher aus'm Banat (Mundartgedichte), 1989; 141 S. Franz Frombach: Mei Fechsung, Mundartgedichte, München 2002, 125 S. Jahrmarkter Heimatblätter (alle herausgegeben von der Heimatortsgemeinschaft)
Nr. 1 Franz Demele: Temesgyarmat während der
Kriegszeit 1914-1918. 1993, 142 S.
Nr. 2 Deportation 1945. Namensverzeichnis und Erlebnisberichte von Verschleppten in die Sowjetunion aus Jahrmarkt. Waldkraiburg, 1995. Nr. 3 Franz Urban: Die deutsche Besiedlung der Großgemeinde Jahrmarkt/Jahrmatha in den Banater Akten des Hofkammerarchivs Wien; 1996, 100 S. Nr. 4 Adressbuch. Jahrmarkter in Deutschland, Österreich, Rumänien und Übersee. Erstausgabe 1999, weitere ergänzte Ausgaben 2000, 2001, 2004, 2005. Ach ja, werden manche sagen, das war einmal, es ist längst vorbei. Was interessieren mich die alten Zeiten? Ahnen sind für den nur Nullen, Der selbst als Null zu ihnen tritt. Setze dich an ihre Spitze, Und die Nullen zählen mit. Wilhelm Müller (1794 - 1827) Pfarrer Franz Demele schrieb im Jahre 1913 in unserer ersten
gedruckten Jahrmarkt-Monografie: Temesgyarmat. Ein Beitrag zur Geschichte der Entstehung und
Entwickelung dieser Gemeinde und Pfarre:
„Eine lange Reihe dickbäuchiger Bücher steht da vor mir; alt, abgenützt, vielfach zerrissen und vergilbt, enthält ihr weites Inneres eine gleichsam unübersehbare Menge tausender Namen, immer nur Namen und Namen: es sind die Matrikelbücher, welche auf dieser Pfarre seit nahezu 200 Jahren geführt werde. Wer wird es wagen, diese endlose Namenreihe von beiläufig 20 dicken Bänden zu durchblättern? Ich habe es gewagt. Und was ich dabei empfand, es ist ganz eigentümlich. Nicht etwa Langweile, Müdigkeit, sondern ganz etwas anderes. Die Hände, welche jene vergilbten Seiten beschrieben haben, sind längst vermodert, die Träger dieser Namen längst von der Bildfläche der Erde verschwunden, ja sogar viele – viele jener Familien, denen diese Namen angehörten, sind gänzlich ausgestorben; das aber vermindert das Interesse dieser Folianten nicht. Im Gegenteil! Bei jedem Blatte, welches ich weiter wende, bei jedem Namen aus alter Zeit, auf dem mein Auge ruht, scheint es mir, als zerrisse jener Schleier immer mehr und mehr, der die Vergangenheit vor meinem Auge verhüllt und sie von der Gegenwart trennt und als sähe ich dann dort hinter jedem grauen Schleier der Vergangenheit längst dahingeschwundene Gestalten sich regen und bewegen; sehe, das die Menschen waren wie wir; dass sie kämpften und ruhten, liebten und hassten, sich freuten und trauerten, gerade wie die heutige Generation, und dann endlich vergingen, wie es auch die der Jetzeit tun werden.“ Pfarrer Franz Demele fragte im Jahre 1913: „Wer wird es wagen, diese endlose Namenreihe von beiläufig 20 dicken Matrikelbücher zu durchblättern?“ Pfarrer Franz Demele hat es gewagt, rund neunzig Jahre später habe auch ich, Franz Junginger, es gewagt, die inzwischen rund 30 Matrikelbücher nicht nur durchzublättern, sondern jeden der 73.434 Einträge durchzuarbeiten. In über viertausend Stunden Arbeit ist unser Jahrmarkter Ortssippenbuch entstanden. Auch ich habe wie Pfarrer Franz Demele vor 90 Jahren hinter den grauen Schleier der Vergangenheit schauen dürfen. Was ich gesehen habe? Ein aufschlussreiches Bild Jahrmarkter Geschichte, über Leben und Sterben, Werden und Vergehen, Anfang und Ende von Jahrmarkt. Wenn man sich Tausende Stunden mit den Jahrmarkter Matrikelbücher beschäftigt, wird einem bewusst, dass diese alten Zeiten einmal Gegenwart waren, und jede Gegenwart führt in eine Zukunft. So wie einst unsere Ahnen weggegangen sind von dem Ort, wo sie geboren wurden, so sind auch wir von Jahrmarkt weggegangen. Und wenn man nach den Spuren der Ahnen sucht, und an einem Ort steht, von wo die Ahnen abstammen, stellt man sich immer wieder die Frage: Warum sind sie weggegangen von hier? Das fragen wir uns heute, und das werden sich auch unsere Nachkommen fragen. Im weiteren schrieb Franz Demele: "Hätte jemand vor 100 Jahren den Versuch gemacht, die neuere Entstehung und Entwicklung der Gemeinde Temesgyarmat zu beschreiben, er hätte es noch leicht gehabt. Jedenfalls lebte damals noch mancher, der über die Anfänge der Gemeinde mündlich hätte berichten können. Diese Quelle mündlichen Berichts ist heute naturgemäß versiegt.“ Wie dankbar sind wir heute Pfarrer Franz Demele, dass er 1913 für uns diese Monografie niederschrieb. Sind wir, die Erlebnisgeneration nach ihm, es unseren Nachkommen nicht schuldig, über das Ende von „unserem Jahrmarkt“ zu berichten? Jahrmarkt war für uns 270 Jahre Heimat. Was aber Heimat ist, weiß der am besten, der sie verloren hat. Jahrmarkt bleibt für uns alle, die dort geboren und gelebt haben, Heimat. Aus der sind wir unvertreibbar, wenn sich der langgezogene Kreis auch wieder geschlossen hat und wir eine neue Heimat gefunden haben. Soll das alles umsonst gewesen sein? Sollen wir und unsere Ahnen, die in Jahrmarkt 270 Jahre gelebt, vom Mantel der Namen- und Geschichtslosigkeit zugedeckt werden und in die Sinnlosigkeit abgleiten? Diese Heimat wollen wir unseren Kindern und Kindeskindern weitergeben. Tausenden unserer Nachkommen wird es genauso ergehen wie heute den Amerikanern: Franz Junginger, Ulm
2007
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