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Jahrmarkt
Geschichte / Chronik

Aus der Geschichte einer banatdeutschen Gemeinde

 Jahrmarkt mit Pfarrfiliale Überland

Von Franz Junginger/Ulm

    Zwölf Kilometer nordöstlich von Temeswar liegt die Gemeinde Jahrmarkt. Die Landstraße nach Lippa streift den westlichen Ortsrand, der Bahnhof der Linie Temeswar-Radna liegt am Südrand des Dorfes. Der Großteil der Fluren, wie auch der Siedlungsfläche, gehören mit ihren leichten Erhebungen zu den letzten, entferntesten Ausläufern des Karpatenvorlandes, zur sogenannten Banater Hecke.

Ortsname, erste amtliche Erwähnung


    Jahrmarkt wird urkundlich erstmals in den päpstlichen Zehentregistern aus den Jahren 1334-1335 unter dem Namen Zamar, Garmad, Garmat erwähnt. Bis zum 15. Jahrhundert war Jahrmarkt Krondomäne. Im Jahre 1407 schenkte König Sigismund seine "possessio regalis Kysgyarmat in comitatu Themensiensi" dem Adeligen Nikolaus Vajdafalvi Vajdafy und dessen Sohn Thomas, der von 1418 an sich die Ortsbezeichnung "Gyarmati/ Gyarmata" zum Beinamen wählte.

     Die Grundeigentümer wechselten danach häufig. 1520 kam das Gut Jahrmarkt in den Besitz des Johann Bradach de Saasvar. 1530 war es Eigentum des Adeligen Nikolaus Kendeffy, nach dessen Tod 1537 das von Markus Jaksics, und 1538 das der Frau des Adeligen Michael Body. Weiter war Jahrmarkt im Besitz der Familie Kendeffy und von 1545 bis zur Türkenherrschaft Eigentum des Nikolaus Czrepovics. Nach 1552 wurde Jahrmarkt zu einem befestigtem Ort unter der Führung eines Beis. In der "Conscriptio Districtum" des Grafen Franz Marsigli für die Jahre 1690-1700 ist bei "Neoerrecti pagi circumjacentes Tömesvar" Jahrmarkt unter "Gyarmata-Utraque" eingetragen. In den „Conscriptions-Daten" der Temeswarer „Einrichtungs-Sachen de anno 1717" sind Veliki Iermat mit 36 Häusern und Mali Iermat mit 28 Häusern aufgenommen, die von Walachen (Rumänen) und Raizen (Serben) bewohnt waren.

    Nach der Eroberung Temeswars durch Prinz Eugen von Savoyen im Oktober 1716 erscheint Jahrmarkt in den Akten des Wiener Hofkammerarchivs unter dem Namen "Jarmatha". Ungarn machten daraus später (nach 1800) "Gyarmat" oder "Gyarmath", was so viel wie "Kolonie". "Vorort" oder "(An)Siedlung" bedeutet. Nach bzw. um 1900 taucht der Name "Temesgyarmat" auf, den auch Pfarrer Franz Demele in der ersten gedruckten Ortsmonographie (1913) verwendete. Die Banater Schwaben sprachen in ihrer Mundart von "Johrmark". Daraus ist die deutsche Bezeichnung Jahrmarkt entstanden. Im Rumänischen unterschied man amtlich zeitweise Giarmata/Gearmata als Ort, und Iermata/Iarmata als Bahnstation. Gleich nach dem Ersten Weltkrieg erhielt die Gemeinde den ersten offiziellen rumänischen Namen Iermata Timiseana.

Die Besiedlung von Jahrmarkt

    Die systematische Besiedlung mit Deutschen setzte 1722 ein. Es war die Zeit, als der Kameraloberverwalter Clausen auf Grund einer Erkundungsfahrt festgestellt hatte, dass man in Jahrmarkt 100 bis 120 Familien ansiedeln könne. So kamen 20 deutsche Familien (etwa 100 Personen) nach Jahrmarkt. Sie kamen als "freie königliche Zinsbauern ohne leibeigeschaftliches Obligo und private Subjektion" aus der Rheingegend um Mainz. Ihre Zahl wuchs bis 1730 auf 50 Familien mit 250 - 300 Seelen. Sie bauten sich selbst ihre Siedlerhäuser "von Holz, eingeflochten und verschmiret" in der heutigen Altgasse, während Rumänen und Serben die Gegend der heutigen Hauptgasse bewohnten.

    Als ein gewaltiges Türkenheer 1737 die Landesgrenze von Orschowa bis Belgrad und Pantschowa bedrohte, flohen die entsetzten deutschen Siedler in Richtung Temeswar. Mehr als 1000 von ihnen, meist Werschetzer, aber auch Makowitzer, Moldowaer,  Bogschaner und Belgrader, - waren in Jahrmarkt untergebracht und kehrten teils erst 1740 und 1741 in ihre früheren Wohnstätten zurück. Einige verbleiben ständig in Jahrmarkt. Von den Makowitzaern kennen wir heute noch die Namen Loris, Kronenberger, Nover und von den Moldowaer Probst.

    Von der Pest, die 1738 unter den Soldaten in Temeswar ausgebrochen war, und die auf fast alle umliegenden Orte übergegriffen hatte, blieb Jahrmarkt wie durch ein Wunder verschont. Karl Leopold Edler von Möller schreibt in seinem Roman "Reiter im Grenzland": -Eines Samstagnachmittags rennt ein Bauer durch die Straßen von Jahrmarkt, dem deutschen Ort bei Temesvar, der Pfarrkanzlei zu. Pfarrer Bachmann, der gerade über seiner Sonntagspredigt sitzt, blickt betroffen vom Schreibtisch auf, als der Bauer in seine Stube stürzt. "Was gibt es denn?" "Herr Pfarrer, die Pest ist bereits in Mercydorf", keucht der Bote, "und in Fenyes und ... und ..."

    "Herr", eifert der Priester hernach in seiner Kirche allein vor dem Altar kniend, "Herr, haben wir hierzulande nicht schon genug vom Sumpffieber gelitten ? Nun schickst du uns auch noch das höllische Luder, die Pest ? Wende sie ab, du Gütiger, ich bitte dich innigst darum !"

    Am Abend läßt er die Gemeinde vor der Kirche versammeln.

    "Wir wollen", sagt er zu der dichtgedrängten Menge, "zusammen wider die Pest beten!

    Herr im Himmel, schütz uns vor der furchtbaren Heimsuchung! Wir sind ein rechtschaffenes Volk, geben dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist, und wir haben schon viel erduldet. Prüfe uns daher nicht zu schwer Herrgott! Wir wissen ja nicht, was die Temesvarer getan haben. Waren vielleicht hoffärtig, haben die Ehe gebrochen und am Sonntag Karten gespielt, statt die Messe zu hören. Die Mercydorfer wieder sind keine Deutsche; vielleicht magst du die Welschen nicht, Herr, aber wir hier, lieber Himmelvater, wir sind Deutsche, von uns mußt du die Pest fernhalten! Erhör das gute Volk von Jahrmarkt und erhöre deinen Diener Bachmann, der für seine Gemeinde zu dir fleht!"

    Die Leute liegen auf den Knien. Immer inbrünstiger betet Bachmann aus dem Stegreif weiter und die Gläubigen beten jeden Satz eifrig nach.

    Es ist, als hätte Gott die Bitten erhört, denn Jahrmarkt bleibt von der Seuche verschont. Dafür aber mordet sie Mercydorf beinahe aus.

Steuerpflichtige Jahrmarkter im Jahre 1741:

    Jacob Seyfried, Heinrich Kauffmann, Johann Kauffmann, Johannes Etzler, Michael Stürmer (Schultheiss), Georg Barbachen, Johannes Wagner, Jobst Krämer, Franz Saar, Heinrich Müller, Andreas Bauer, Adam Winther, Johannes Löffler, Wilhelm Schneider, Michael Löffler, Johannes Paulus (Bürgermeister), Bernhard Reinhard, Heinrich Cronenberger, Philipp Wieland, Mathias Seitz, Hermann Krämer. Sie bezahlten als altansässige Siedler alle je sechs Gulden an Steuern, zusammen 126 fl. Johannes Gros brauchte als neuer Siedler nur 3 fl zu bezahlen. Von den Steuern befreit waren: Christian Gros und Eva N., sowie die Wittwe des Georg Wagner, wegen ihrer Armut. (Angaben aus Aktendes Temeswarer Verwalteramtes).

    Die Zeit von 1741 bis 1763 kann als die zweite Zuwanderungsperiode bezeichnet werden. Ständig kommen neue Familien aus Deutschland an. Die meisten wieder aus der linksrheinischen Gegend, denn viermal wird das Erzbistum Mainz, je dreimal das Erzbistum Trier bzw. das Kurfürstentum Pfalz und zweimal Lothringen genannt. Trotz Zuzugs neuer Siedler erhöhte sich die Zahl der deutschen Bewohner Jahrmarkts nicht wesentlich.

    Am 1. Januar 1742 schloß die Temescher Landesadministration mit dem deutschen Magistrat der Stadt Temeswar einen Vertrag, der die drückenden materiellen Verhältnisse der Banater Hauptstadt erleichtern sollte. Erstere überließ der Stadtvertretung "die Dorfschaften Freydorf, Ujpecs, Mecydorf, Jahrmarkt, Bruckenau, Deutsch-Rekasch, Kissoda und Bessenova zur besseren Subsistenz.“ Die Orte zahlen der Stadtvertretung zusammen 402 Gulden, der Magistrat mußte davon allerdings an die Administration eine gewisse Pachtsumme entrichten. Wie gering damals die Bevölkerung war, geht daraus hervor, dass in den acht steuerpflichtigen Gemeinden nur 347 Familienväter aus 213 "Fakultäten" (Ansässigkeiten mit Hausgrund und Haus) waren.

    In den Jahren 1748 - 1752 kamen fast nur Siedler aus Lothringen ins Banat, davon elf Familien nach Jahrmarkt, unter ihnen Philipp Kiltzer, geboren am 14.03.1700 in Ebschied (Hunsrück, damals Lothringen), gestorben am 13.03.1771 in Jahrmarkt. Philipp Kiltzer hatte damals die meisten Nachkommen im Ort. Er brachte 10 Kinder mit nach Jahrmarkt, von denen neun in Jahrmarkt heirateten und ebenfalls alle eine große Familie hatten. In den Wiener Ansiedlungslisten von 1764 finden wir neben den Merzydorfer, Beschenovaer, Sankt-Peterer, Rekascher, Neupetscher, Freidorfer und Bruckenauer folgende Jahrmarkter Familien: Adam Glaus, Johann Schorg, Adam Hartmann, Johann Dietrichheim, Peter Pracht, Franz Poschvan, Lugasch und Christian Brandstetter.

    Unter dem Druck der Wiener Behörden und besonders als Folge der Intervention des Grafen Clary von Aldringen, beschloß die Landesadministration folgendes: Die in der Hauptgasse (die noch im 19. Jahrhundert "Raizengasse" genannt wurde) gelegenen Häuser und Liegenschaften der "Nationalisten (Raizen und Walachen) werden behördlich abgeschötzt“, ihr Wert den Eigentümern ausbezahlt und diese nach der Gemeinde Peterda, heutige Radajevo, umgesiedelt. Pederda kam in den Besitz des Grafen Clary von Aldringen und wurde nach ihm Clary benannt. Die Zahl der 1765 von Jahrmarkt nach Checea und 1768 nach Clary (Peterda) umgesiedelten „Nationalisten“ läßt sich nicht mehr feststellen, es dürften an die 100 Familien gewesen sein.

Wie Ritter von Kempelen im Jahre 1767 Jahrmarkt sah

    Wolfgang Ritter von Kempelen (* 23.01.1734 in Preßburg, + 26.03.1804 in Wien als pensionierter Hofkammerrat) bereiste vom 12. September bis zum 18. November 1767 im Auftrag Maria Theresias das Banat. In einer handschriftlichen "Relation", die im Wiener Hofkammerarchiv aufbewahrt wird, berichtet er über mehrere Banater Ortschaften. Über Jahrmarkt schrieb er:

    "Zu dem alten deutschen aus 62 Häusern bestehenden Dorf Iarmatha, nachdeme die daselbst gewesene Raitzen vor 3 Jahren weggeschoben waren, sind 238 neue Familien hinzugesetzet worden, und ungeacht dessen ist für diese 300 Familien laut Nr.9 der Grund noch hinlänglich, so zwar, dass 85 Ganze und 215 halbe Bauern Höfe gemacht werden können.

    Bisher haben die Inwohner nur zu 5 bis 6 Metzen Frucht jährlich angebauet, folglich werden sie sich sehr glücklich schätzen, wenn einem jeden ein Halber Bauern-Hof, oder 24 Metzen Anbau zugetheilet  werden wird. Zu dem haben sie die schönste Lage, und Anhöhen zum Weinbau, ja die meisten haben sich schon Weingärten angeleget. Wenn diese Leute einmahl ihren angemessenen Grund haben, und nur mittelmäßig Fleiss anwenden, so können sie meines Erachtens vor allübrigen aufkommen. Der Ort ist fast ebenso wie Merzydorf, das ist auf zwei Hügeln, zwischen welchen sich ein tiefes Tal befindet, angeleget. Diese weite Abtheilungen der Dörfer führet viel unbequemes mit sich; Es hat nämlich der eine: oder der andere Theil sehr weit in die Kirche, und so die Kinder in die Schule zu gehen: der Richter kann seine weit zerstreute Gemeinde nicht so gut übersehen, und dergleichen. Die Gemeinde wollte sich zwar gerne theilen, ein jeder Theil einen anderen Richter erwählen, und dergestalten zwey Ortschaften ausmachen, allein hierzu ist die Entfernung dieser zwey Theile wieder zu klein, und dieser Zertheilung würde zu vielen Uneinigkeiten und manchen Streit Anlass geben. Wesswegen ich ihnen solches glatterdings abgeschlagen habe. Die Häuser haben sich diese Colonisten meist selber gebauet, worzu ihnen zu 40 fl. vorgestreckt worden; Solche sind wie in Neudorf, weil die Waldungen gar nicht entfernet sind, von Holz, eingeflochten, und verschmiret. Die neuen Gässen sind breit genug angelegt worden.

    Der Pfarrer ist schon ein Alter und kränklicher Mann, der wegen Schwachheit gar selten Bredigen oder christliche Lehren hält. Er lag eben zur Zeit meines Daseyns krank darnieder, so dass  ich ihn gar nicht zu sehen bekam. Der Schulmeister verstehet nichts von der Rechenkunst, und ist auch nicht alleine im Stande alle Kinder, die die Eltern gerne in die Schule schicken wollen, zu lehren.

    Der Ort ist mit einem Feldscherer versehen, und von den Kranken hat der meist Theil seine Gesundheit wieder erlanget. Übrigens sind die Inwohner mit dem empfangenen Vieh und Requisiten ganz zufrieden, und haben nur folgende drey Beschwerden vorgebracht, nähmlich:

    - 1mo. Dass sie nur einen einzigen zwischen dem Alten und Neuen Dorf im Thal gelegenen Brunn hätten, welches zwar wegen sein ungemein guten Wasser in der ganzen Gegend berühmt und wegen seiner starken Quälle für beide Örter hinlänglich, hingegen aber so weit entfernet ist, dass sie bey entstehender Feuers-Brunst eine nur sehr langsame Hilf haben könnten.

    - 2do. Dass die bey dem Alten Orte befindlichen zwey Pferd-Mühlen die Vermahlung ihrer Früchten nicht befördern könnten.

    - 3tio. Dass ihnen die von den geschobenen Wallachen abgelöste Zweschgen-Bäume zugetheilt, und der Betrag dafür in ihre Büchl angeschrieben, worden wäre; Nach der Hand wären erst die Haupt-Gassen ausgestrecket, und ein grosser Theil ihrer Bäume umgehauen worden, worüber sie schadlos gehalten zu werden bitten."

    Wolfgang von Kempelen machte diesbezüglich folgende Vorschläge: "Über diese drey Punkten wären ohnmassgeblich bey der Landes-Administration zu verordnen, und zwar ad 1mum, dass in diesem neuen Orte also bald 2 oder 3 öffentliche Brünnen gegraben und so auch ad 2dum wenigstens noch eine Ross-Mühle errichtet und 3tio eine nochmalige Revision und Conscription der dortigen Zweschgen-Bäume vorgenommen und einen jeden Hauswirth nur soviel zugeschrieben wurden, als ihm würcklich zugefallen seynd."

    In dem "von Seiten der angeordneten Impopulations-Comission abgefassten Protocollum" Kempelens vom März - April 1768, das der Kaiserin "zur allergnädigsten Einsicht und Genehmhaltung" vorgelegt wurde, ist in dazu folgendes vermerkt: "... ist ein anderer tauglicher Schull-Meister anzustellen und dass von dem Kempelen, wegen von der Gemeinde vorgebrachten 3 Beschwerdepunkten eingerathe und an die Administration zu verordnen." So wurden dann zwei Brunnen mit gutem Trinkwasser gegraben. Beide wurden zu Beginn unseres Jahrhunderts verschüttet. Einer wurde im Garten des Mathias Blasy (Hauptgasse) in den 70-ger Jahren wiedergefunden.

    Auf der Original-Aufnahmekarte des Temeswarer Banats, ausgeführt in den Jahren 1769 bis 1772 unter der Direktion des Obersten Elmpt vom Generalquartiermeisterstab, ist die Familienzahl und deren Bodenbesitz wie folgt angegeben: Alt Iarmata: 125 Familien 3518 Joch und 1183 Klafter.

    Neu Iarmata: 202 Familien 5033 Joch und 1296 Klafter.

    Die größte Einwanderungswelle erfolgte in den Jahren 1768-1770. Da die Häuser noch nicht fertig waren, wurden die Siedlerfamilien mit noch zwei bis drei, oft kinderreichen Familien unter einem Dach untergebracht. Durch die Banater Schlafkreuzerrechnungen sind uns viele Namen dieser Familien erhalten geblieben. Die untenstehende Tabelle gewährt uns einen Einblick über die Zahl der Familien und Personen, die von Freitag, den 22. Juni 1770, bis Mittwoch, 18. Juli 1770, in Jahrmarkt einquartiert waren: 264 Familien mit 256 Männern, 215 Frauen, 259 Knaben und 275 Mädchen, zusammen 1.005 Personen.

22. Juni 1770

77

 Familien

23. Juni 1770

2

 Familien

25. Juni 1770

5

 Familien

26. Juni 1770

33

 Familien

27. Juni 1770

21

 Familien

1. Juli 1770

72

 Familien

3. Juli 1770

3

 Familien

8. Juli 1770

5

 Familien

15. Juli 1770

15

 Familien

16. Juli 1770

1

 Familie

17. Juli 1770

15

 Familien

18. Juli 1770

15

 Familien


    Gesamt: 264 Familien
 
   In den Jahrmarkter Matrikelbüchern kommen in dieser dritten Einwanderungsperiode 440 neue Siedlerfamilien vor. Bei 353 sind Ursprungsort und Land vermerkt. Es stammten demnach die Familien in folgender Zahl aus den angeführten Ländern, wobei die Territorien nach den Gliederungen des 18. Jahrhunderts angeführt sind:

Herzogtum Luxemburg

94

Franz. Provinz Lothringen

68

Grafschaft Siegen

49

Erzbistum Trier

48

Kurfürstentum Pfalz

39

Erzbistum Mainz

21

Bistum Fulda

13

Königreich Ungarn

9

Königreich Frankreich*

9

Markgrafschaft Baden

7

Franz. Provinz Elsaß

6

Erzherzogtum Österreich

5

Herzogtum Nassau

4

Kurfürstentum Bayern

4

Herzogtum Westfalen

3

Markgrafschaft Mähren

2

Königreich Böhmen

2

Österr. Grafschaft Breisgau**

2

Königreich Spanien

1

Grafschaft Tirol

1

Herzogtum Steiermark

1

Herzogtum Württemberg

1


    * außer Elsaß und Lothringen
    ** Schwarzwald

Aus der Geschichte der Pfarrgemeinde


    Kaum hatten die ersten 250 deutschen Siedler in Jahrmarkt Fuß gefaßt, bekam der Ort auf Intervention des Grafen Mercy am 1. Januar 1730 seine eigene Pfarrei und in der Person des Pfarrers Bartholomäus Bachmann einen der wenigen katholischen Priester, die damals in Banat tätig waren. Er bezog in der mittleren Altgasse ein Haus wie die übrigen Siedler. Am Tag seiner Einstellung legte Pfarrer Bachmann die Matriken an, die seitdem ohne Unterbrechung geführt werden. Als erstes Gotteshaus wurde im Jahre 1731 in der Nähe des Pfarrhauses eine Holzkirche errichtet. Die am 9. Mai 1732 durch Bischof Baron Adalbert von Falkenstein zu Ehren des heiligen Josef geweiht wurde. Das erste große Ereignis folgte 20 Tage später: Am 29. Mai 1732 wurden in Jahrmarkt durch Bischof Falkenstein 48 Personen gefirmt. Nach dem diese Holzkirche am 24. Juli 1764 zusammen mit 38 Bauernhäusern einem Großbrand zum Opfer fiel, wurde sieben Jahre später in der "Raizengasse",der heutigen Hauptgasse, mit dem Bau einer neuen Kirche aus "hartem Material" begonnen. Am 2. Mai 1773 wurde die neue Kirche im Auftrag des Bischofs von Domprobst Anton Peter de Valpott zu Ehren des heiligen Josef feierlich eingeweiht. Im Jahre 1935 wurde der Turm der Kirche umgebaut und erhielt seine heutige Form. Ein Zierstück im inneren ist das prächtige Marienbild am Seitenaltar, das längere Zeit für ein Original von Lukas Cranach (1472 - 1553) gehalten wurde. Heute nimmt man an, dass es von einem seiner Schüler stammt.

    Das heutige katholische Pfarrhaus wurde im Jahre 1861 erbaut, nach dem ein Jahr vorher das 1772 errichtete abgetragen worden war. Von den 30 Pfarrern, Ordenspriestern und 120 Kaplänen, die seit 1730 in Jahrmarkt gewirkt haben, waren die bekanntesten: Bartholomäus Bachmann (1737-1740), Pfarrer; Josef Wohlfahrt (1769-1786), Pfarrer, Dechant, päpstlicher Protonotor; Mathias Natly (1799-1838), Pfarrer, Dechant; Lorenz Schlauch (1863-1872), Pfarrer, später Bischof und Kardinal; Mathias Goschy (1872-1909),Pfarrer, Ehrendomherr; Franz Demele (1910-1923), Pfarrer, Dechant, Verfasser der ersten gedruckten Ortsmonographie; Nikolaus Anton (1923-1964), Pfarrer, Dechant, Erzdechant; Sebastian Kräuter (1946-1983) Pfarrer, Dechant, Ordinarius, Bischof; Franz Kräuter (1983-1986), Pfarrer Dechant, Monsignore; Lorenz Zirenner (1989-1991), letzter Jahrmarkter Pfarrer, Dr. theol., Domherr. Der heutige Altbischof Sebastian Kräuter hat nicht nur lange, sondern wohl auch am segensreichsten im Ort gewirkt.

    Der erste katholische Friedhof nach der Ansiedlung war in der Altgasse rings um die Holzkirche (daher „Kerchuff“). Auf unserem ersten katholischen Friedhof wurden vom Jahre 1730 bis 1777 2086 Personen beigesetzt.  Das Schreckensjahr Juli 1770 - Juni 1771 wirkte sich katastrophal auf die Jahrmarkter Siedler aus. Durch das Ungarische Fieber ("Morbus Hungaricus") vom 1. Juli 1770 bis 30. Juni 1771 erlagen in Jahrmarkt von etwa 2000 Seelen 711 Personen. Im Juli trug man täglich 5 bis 6 Tote auf den Gottesacker, im August 6 bis 8, im September gar 10 bis 13. Pfarrer Josef Wohlfahrt war verzweifelt. Im Juli 1770 schrieb er auf das Vorblatt des Sterberegisters: "Ist unter den eingewanderten Ansiedlern das große Sterben ausgebrochen. Der Friedhof ist voll. Was soll aus der Gemeinde werden?" Besonders die im Spätherbst 1769 hier angesiedelten etwa 100 Luxemburger Familien fielen dem Massensterben zum Opfer. Vom 1. Juli bis 31. Dezember starben 204 Familienmitglieder der Luxemburger am Fieber. Untenstehende Tabelle zeigt die Gesamtzahlen der Todesopfer vom 1. Juli 1770 bis 30. Juni 1771:

Juli

1770

20

Pers.

August

1770

77

 

September

1770

123

 

Oktober

1770

163

 

November

1770

108

 

Dezember

1770

54

 

Januar

1771

33

 

Februar

1771

34

 

März

1771

26

 

April

1771

24

 

Mai

1771

43

 

Juni

1771

6

 


Total: 711 Personen

    Die folgende Tabelle zeigt, dass die Sterblichkeit unter den Kindern am höchsten war: 

bis 1 Jahr

95

31 - 40 Jahre

87

1 - 6 Jahre

227

41 - 50 Jahre

52

7 - 14 Jahre

75

51 - 60 Jahre

44

15 - 19 Jahre

5

über 60 Jahre

44

20 - 30 Jahre

82



   
    1777 eröffnete die Gemeinde an der Rekascher Straße einen 3,8130 ha großen Friedhof, den heutigen "unteren Friedhof". Da dieser von Teilen des Ortes weit entlegen war, wurde im Jahre 1810 neben dem "kaiserlichen Magazin" mit 2,1909 ha der "obere“ Friedhof angelegt. In den Jahrmarkter römisch – katholischen Kirche wurden 34518 Kinder getauft uns 9204 Ehen geschlossen.

    In der Kirchengemeinde gab es 30.012 katholische Beerdigungen. auf dem ersten katholischen Friedhof (Altgasse) wurden 2086 Personen, auf dem unteren Friedhof rund 16.000 Personen und auf dem oberen Friedhof rund 12.000 Personen beigesetzt.

Erwerbsleben in Jahrmarkt

    Im Gegensatz zu den meisten Heidegemeinden, gab es in Jahrmarkt bis 1945 viel mehr Handwerker, Kleinhäusler und Taglöhner als Bauern. Die jüngste Statistik vom 8. Mai 1943 unter Gemeinderichter Sebastian Rossner weist 887 Feldbesitzer (meist Familien) auf, davon jedoch 119 mit unter einem Joch, 399 mit zwischen einem und 4,75 Joch , ferner 132 mit zwischen 5 und 9,75 Joch, weitere 129 mit zwischen 10 und 19,75 Joch; über 50 Joch besaßen 23 Familien. Insgesamt befanden sich 7.484 Joch in Privatbesitz.

    Von den Handwerkern waren die meisten Bauarbeiter, vor allem Maurer und Zimmerleute. Erst die enteignete und entwurzelte Nachkriegsgeneration hat sich mehr auf technische und intellektuelle Berufe umgestellt. Über 1.600 Personen fuhren täglich nach Temeswar zur Arbeit, aus manchen Familien drei bis vier Angehörige.

Opfer der Weltkriege und Russlanddeportation

    Im Ersten Weltkrieg 1914-1918 hatten Jahrmarkt und die Tochtersiedlung sowie Pfarrfiliale Überland in der österreichischen und ungarischen Armee 170 Gefallene, Verstorbene oder Vermisste zu beklagen. Während des Zweiten Weltkrieges gab es in der rumänischen und deutschen Armee 205 gefallene, verstorbene oder vermisste Jahrmarkter und Überländer. In der sowjetischen Deportation bzw. an von dort mitgebrachten Krankheitsfolgen starben 129 Jahrmarkter und Überländer, davon 29 Frauen und Mädchen. (Siehe auch: Opfer der Weltkriege / Deportierte)

Gutsherrschaft in Jahrmarkt

    Zu den im Jahre 1781 verlizitierten 40 deutschen Siedlerdörfer zählte auch Jahrmarkt. Der Ausrufungspreis betrug 72.341 Gulden. Mit 90.426 Gulden wurde es 1781 Privateigentum des Gutsbesitzers Michael Sandor. Es wechselte in den folgenden Jahren einige Mal seine Besitzer. So um 1785 an Grafen Johann Michael von Althann, 1790 kaufte es Johann Köszeghi de Remete, und 1792 zählte der Ort wieder zu den Gütern seines ersten Grundherrn Michael Sandor. 1794 verkaufte es Sandor um 42.000 Kronen an den Grafen Stephan Gyürky de Losonczi. In dieser Zeit erreichten Gemeinde und Pfarrei eine Glanzperiode. Seinem großen Einfluss gelang es, dass König Franz I. die Gemeinde Gyarmath im Jahre 1807 zum Marktflecken erhob. Eine Flur des Gutes heißt noch heute nach ihm "Stephansberg". Nach seinem Tode erben die Güter im Banat einerseits sein Sohn Paul von Gyürky, anderseits Ludwig Ambrozy de Seden. Diese setzen sein begonnenes Werk fort, lassen neue Hauspläze und kleine Parzellen ausmessen für Interessenten, es siedeln die sogenannten "Kontraktualisten", Kleinhäusler, welche verpflichtet sind, der Herrschaft die gebräuchlichen Zehentabgabe zu leisten. Durch diese Vergrößerung der Gemeinde entstehen nach dem Jahre 1806 die Johanni-Gasse, die Elisabeth-Gasse (später Neue-Gasse), die Zigeuner-Gasse und die Karls-Gasse. Die Hälfte des Ambrozy'schen Besitzes kam schon unter Ludwig von Ambrosy in fremde Hände. Nach dem der Anteil in kurzer Zeit oft die Besitzer gewechselt, erstand diese 500 Joch Freiherr Ernst von Gudenus. Auch dieser hält sie nur kurze Zeit. Sein Schwager Baron Julius von Csavossy verkaufte das Gut 1909, welches an Jahrmarkter parzelliert wurde. Die Gemeinde erwarb 1909 das ehe-malige Kastell des Barons Ernest von Gudenus und lies es in eine Schule umändern.

Deutsche Einwohner in Jahrmarkt von der Ansiedlung bis ins Jahr 2000

1724 100 1808 2206 1944 4740
1730 250 1836 3140 1948 3534
1738 1500 1838 3272 1977 3399
1740 300 1859 3819 1982 2300
1766 360 1894 4823 1987 800
1770 1800 1900 4970 1992 83
1771 1100 1910 4782 1994 16
1777 1323 1930 4647 1999 15
1780 1500 1940 5046

1792 1752 1943 4287

    Im Jahre 1766 mussten die römisch-katholischen Pfarrämter des Banats infolge einer Wiener Verordnung und Weisungen des Tschanader Bischofs eine Konskription der katholischen Seelen vornehmen, wobei die Siedler, die von 1722 bis 1764 ins Banat gekommen waren unter der Rubrik "alte", jene aber, die 1765 bis 1766 angesiedelt wurden, unter der Rubrik "neue Kolonisten" gezählt wurden. Laut dieser Konskription betrug die Zahl der "alten" Ansiedler in Jahrmarkt am 31. Dezember 1766:  360 Seelen.

    Die Zahl der Wohnhäuser betrug im Jahre:

1741 25 1778 311 1894 789
1767 62 1780 312 1910 839
1763 235 1828 496 1945 923

Schule und Schülerzahlen
   
    Bereits mit der Einrichtung der Pfarrei 1730 wurde in Jahrmarkt der erste Lehrer eingestellt. Ab 1768 waren in Jahrmarkt jeweils zwei Lehrer tätig, ein Oberlehrer und ein Unterlehrer. Im Jahre 1830, als Jahrmarkt etwa 400 Schüler hatte, konnte Pfarrer Mathäus Natly die Gemeinde endlich bewegen, ein Schulgebäude neben der Kirche zu errichten. Zur Erweiterung der Schule kaufte die Gemeinde um 1860 das alte "Rittmeistergebäude" in der Altgasse und baute es in eine Schulklasse, Kindergarten und zwei Lehrerwohnungen um. Im Jahre 1909 hatte die Gemeinde das ehemalige Kastell des Barons Ernest von Gudenus erworben und ließ es in eine Schule umändern. Die ersten namentlich festgehaltenen und uns bekannten Lehrer in Jahrmarkt waren: Johannes Landing 1730/31 und 1741/42; Clemens Sonnen um 1740; Johann Michael Latz um 1750; Michael Junger 1755-1759; Johann Kolaus bis 1758; Joseph Wendel nach 1762; Lorenz Staud um 1763; Jakob Nix um 1766 bis nach 1784; Johann Adam Georg Handl etwa 1777 bis nach 1782; Joseph Habers tätig etwa 1781 bis 1798; Adam Heich/Haich 1808/09 bis 1815, nach 1848 Christoph König und Mathias Czippel, in den folgenden 60er Jahren Jakob Pesch, Franz Haag, Franz Lukasz und Andreas Ostie.

Schülerzahlen in den Jahren 1778-1844:

1778
  186
 1807/1808
  280
 1817/1818
300
1784
176
1808/1809
297
1818/1819
377
1787
93
1809/1810
276
1819/1820
326
1788
240
1810/1811
262
1820/1821
352
1792
220
1811/1812
202
1823/1824
331
1794
243
1812/1813
222
1824/1825
345
1802
  214
1813/1814
258
1826/1827
201
1804/1805
261
1814/1815
303
 1827/1828
428
1805/1806
286
1815/1816
293
1835
327
1806/1807
252
 1816/1817
305
1843/1844
337

Vereinsleben


    In Jahrmarkt herrschte seit langem, vor allem aber zwischen den beiden Weltkriegen, ein reges Vereinsleben. Der älteste Verein war wohl der Schützenverein, der von den Vorfahren aus der alten Heimat mitgebracht worden war. Pfarrer Demele berichtet in seiner Ortsonografie, dass die Schützen des Ortes 1831 ihre alten, mitgebrachten Uniformen ablegten und ungarische Uniformen anzogen. Der Verein wurde 1926 von den rumänischen Behörden aufgelöst. Zünfte, Freiwillige Feuerwehr, Gewerbekorporation, Musikkapellen wurden noch im 19. Jahrhundert gegründet. Vor dem Ersten Weltkrieg kamen der Bauernverein, Leseverein, Bankverein und Leichenverein hinzu. In den Zwanziger Jahren wurde in Jahrmarkt der Deutsche Katholische Jugendverein (1936/1937: 78 Mitglieder); der Deutsche Katholische Mädchenkranz (1936/1937: 70 Mitglieder); der Deutsche Katholische Frauenverein und der Deutsche Katholische Gesangsverein gegründet. An politischen Organisationen gab es in Jahrmarkt nach dem Ersten Weltkrieg bis Mitte der dreißiger Jahre eine stark gewerkschaftsorientierte Arbeiterpartei. Diese wurde nach dem Krieg neu gegründet, aber bald mit der Kommunistischen Partei zur Rumänischen Arbeiterpartei zusammengeschlossen. Die Deutsche Volkspartei waren in Jahrmarkt nicht sehr aktiv, wohl aber die „Deutsche Volksgruppe Rumäniens“ bzw. ihre Gliederungen Deutsche Jugend (DJ) und Deutsche Mannschaft (DM).

    Anfang der fünfziger Jahren stellte die Jahrmarkter Staatsfarm eine Handballmannschaft aus fast ausschließlich deutschen Jugendlichen auf, die unter dem Namen "Timpur Noi" jahrelang Spitzenerfolge erzielen konnte. Die Musikkapellen Loris (drei Generationen seit 1908), Kreuter, Kern und Kaßner haben trotz Rivalität untereinander viel dazu beigetragen, den Namen "Jahrmarkt" über die Grenzen des Banates hinaus bekannt zu machen. Heute sind Jahrmarkter in vielen erfolgreichen Musikkapellen Deutschlands vertreten.

Auswanderung nach Amerika

    Die Jahrmarkter in Amerika gehen im wesentlichen auf zwei Einwanderungswellen zurück: Die erste Welle vor der Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg, die zweite, etwa 1920-1924, mit Höhepunkt in den Jahren 1923-1924. In der Zeit von 1904 bis 1908 sind aus Jahrmarkt  547 Personen ausgewandert (nach Chicago, Ohio, Boltimore, Detroit). Sie haben in diesen wenigen Jahren mit der Post 723.597 Kronen nach Jahrmarkt geschickt. Nikolaus Pesch (geb  in Jahrmarkt am 20. Februar 1896 + Chicago 3. September 1968) unser bedeutendster Landsmann in Amerika, wurde 1947 auf einer Tagung in Cleveland zum Präsidenten aller donauschwäbischen Hilfsorganisationen gewählt und war langjähriger Präsident der American Aid Society. Er erlernte 1909-1912 das Schneiderhandwerk in Jahrmarkt, ging 1912 als Geselle auf die "Walz", kam nach Österreich, leistete 1915-18 Kriegsdienst an verschiedenen Frontabschnitten, gelangte dann 1919 - 21 nach  Lugosch, arbeitete von 1921 bis 1923 in Wien als Schneider. Im September 1923 zog er nach Amerika, eröffnete in Chicago 1926 eine Werkstätte für Maßkleidung. Bei 5.322 Einwohner im Jahre 1900 lebten davon 25 in Amerika, 1910 waren 362 im Ausland. Bis Anfang der 60er Jahre waren zehn Personen durch Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen, gegenwärtig sind es über 4.000.

Jahrmarkter Mundart

    Wenn wir die heutige Jahrmarkter „schwäbische“ Mundart untersuchen, merken wir, dass anders gesprochen wird, als dies nach der Zusammensetzung der Siedler eigentlich erwarten würden. Es ist ein südwest-reinfränkischer Mischdialekt, der nur nach sehr genauen Beobachtungen seine luxemburgisch-moselfränkischen und pfälzische Elemente verrät. Das ist so merkwürdig, dass Forscher darüber rätseln, wie sich das Verhältnis zwischen Herkunft und heute gesprochener Mundart genau erklären lässt. Auf die Ausgestaltung der heutigen Jahrmarkter Mundart hat höchst wahrscheinlich die vierte und letzte Einwanderungswelle den stärksten Einfluss ausgeübt. Diese setzte sich aus solchen Zuwanderern zusammen, die nicht direkt aus Deutschland kamen, sondern sich in verschiedenen Dörfern des Banats oder anderen Gegenden Ungarns eine Zeit aufgehalten hatten (Binnenwanderungen). So die Feststellungen von Germanisten der Universität Budapest im Jahre 1929.

Die Jahrmarkter Heimatortsgemeinschaft

    Die deutsche Pfarrgemeinde Jahrmarkt gibt es seit 1992 nicht mehr. Wie sieht unsere einst so schöne Gemeinde Jahrmarkt heute aus? Verarmt, traurig, trostlos und verlassen, aus einst schmucken Häusern schauen fremde Menschen aus den Fenstern. Was ist uns heute noch geblieben? Die Kirche, der Prinz-Eugen-Brunnen, unsere beiden Friedhöfe mit den Tausenden Toten und schöne Erinnerungen. Bis auf 15 Personen sind die Jahrmarkter Deutschen fast alle in Deutschland (Ballungszentren sind in Rastatt, München, Reutlingen, Osthofen, Worms, Ingolstadt, Singen, Karlsruhe u.s.w.). Wenige leben im mittleren Teil der Bundesrepublik und eine kleine Zahl in Norddeutschland oder in Streulagen.

    Die Heimatortsgemeinschaft Jahrmarkt wurde im September 1972 in Reutlingen anlässlich des 1. Heimatortstreffens gegründet. Initiator war damals der gewesene Gemeinderichter Georg Frombach (gest. am 02.05.1976 in Frankenholz/ Saar), seine Unterstützer Hans Frombach (+ 04.04.1999 in Osthofen), Kaspar Blasy, Franz Hovacker (+ 23.07.1982 in Reutlingen), Adam Grund (+ 15.05.1997 in Reutlingen), Franz Urban aus Österreich u. a. Den Vorsitz übernahm Hans Frombach, der die HOG dann 25 Jahre lang engagiert leitete. Zu Pfingsten 1997 übernahmen den Vorsitz Luzian Geier und Franz Junginger, zwei Jahre später wurde Helene Eichinger zur neuen Vorsitzenden gewählt. Die Treffen der Jahrmarkter finden jedes zweite Jahr statt. Die ersten elf Treffen wurden in Reutlingen abgehalten. Zwei Jahrzehnte lang war Kaspar Blasy Organisationsleiter der Heimatortstreffen. Unterstützt wurde er von Franz Hovacker und nach dessen Tod von Nikolaus Pannert. Hauptorganisatoren der vier Treffen in Rastatt (1993-1999) waren Berthold Ebner und die Brüder Hans und Jakob Ebner.

Überland

    Überland war weitgehend eine Jahrmarkter Tochtersiedlung, langsam gewachsen ab 1806 auf den Überlandfeldern. Die Siedlung hatte eine Fläche von 375 Katastraljoch. Anfangs wurden jeweils 3 bis 6 Joch als Weingarten an Jahrmarkter verteilt. Die neuen Weinbauern hatten je ein Winzerhaus gebaut. Eine Legende besagt zum Namen, dass die Jahrmarkter sagten, wenn sie in diese Weingärten fuhren " wir Fahren über Land". Daher der "Überland" , was natürlich nicht stimmt, weil es auch anderwärts Überland-Fluren gab.

    Eine erste amtliche Erwähnung als Ort findet sich im „Schematismus“ der damaligen Tschanader Diözese als „Uiberland vin.“ 1851, später erscheint die ungarische Übersetzung Gyarmata-Szölök und auch Kisgyarmata-Puszta, rumänisch nach dem Ersten Weltkrieg Viile Iermatei.

    Da durch die Reblaus in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts die Weingärten total vernichtet wurden (in dieser Zeit entstand angeblich der Name Kisgyarmata-Puszta) und viele Winzer wegzogen, wurden viele Felder verkauft. So kamen neue Siedler aus Jahrmarkt, Kowatschi (lange Zeit ebenfalls Filiale der Jahrmarkter Pfarrei), Sanktandres, Bruckenau, Bentschek aber auch aus Neubeschenowa, Hodoni und Knees sowie Rumänen aus Cerneteaz, Giroda, Janova und Fibisch. Der Winzer Nikolaus Zenzer (mit dem größten Haus) stellte ein Zimmer als Schule zur Verfügung. Der erste Lehrer war ein Winzer Hans Tomas. Er brachte den Kinder das Lesen und Schreiben bei. Im Schuljahr 1865/66 berichtete bereits ein gelernter Lehrer, Josef Schweininger, die vierzig schulpflichtigen Kinder in einer Klasse. Hier begann 1905 der langjährige spätere Jahrmarkter Lehrer Michael Zimmerer seine Berufslaufbahn. Die Überländer waren keine vermögende Leute, sie bebauten ihre 1-2 Joch Felder und nebenbei Pachtfelder in den Nachbargemeinden. Hauptbeschäftigungen war Ackerbau und Milchwirtschaft, jede Familie hatte 1-3 Milchkühe. Die Milch wurde jeden Tag zeitlich nach Temeswar geliefert. Auch waren die Verdienstmöglichkeiten in der nahegelegenen Stadt und dem nahen Jagdwald gut, besonders nach dem Bau der Bahnlinie Temeswar-Lippa 1895.

    Überland hatte im Jahre 1851 197 deutsche (katholische) und 129 orthodoxe Einwohner, 15 Jahre später waren es schon 270 Deutsche; 1905 zählte Überland 700 Einwohner, davon 500 Deutsche, nach dem Ersten Weltkrieg waren es mit 453 etwas weniger, dann 1940 nur noch 423. 1946 lebten 115 deutsche und 76 rumänische Familien im Ort, 1980 waren es 240 Deutsche, 1983 noch 150. Im Jahr 1984 lebten von den Deutschen 54 Familien in Überland und 48 Familien in Deutschland.

Jahrmarkter Veröffentlichungen:

Karl F. Waldner, Isabella Regenyi: Siedler der Gemeinde Jahrmarkt. Homburg, 1979, 29 Seiten;

Franz Demele: Temesgyarmat. Ein Beitrag zur Geschichte der Entstehung und Entwicklung dieser Gemeinde und Pfarre. Innsbruck 1913, 46 S.; Von Hans Krambo im Fotokopierverfahren vervielfältigt und noch erhältlich.

HOG Jahrmarkt (Hg.): Jahrmarkt in Banat. Das Dorf rings um den "Großen Brunnen" 1983, 238 S.

Stefan Stader: Ortssippenbuch der katholischen Pfarrgemeinde Jahrmarkt im Banat, 1985; 495 S.

Franz Frombach: Phingstnägelcher aus'm Banat (Mundartgedichte), 1989; 141 S.

Franz Frombach: Mei Fechsung, Mundartgedichte, München 2002, 125 S.

Jahrmarkter Heimatblätter
(alle herausgegeben von der Heimatortsgemeinschaft)
 
Nr. 1 Franz Demele: Temesgyarmat während der Kriegszeit 1914-1918. 1993, 142 S.

Nr. 2 Deportation 1945. Namensverzeichnis und Erlebnisberichte von Verschleppten in die Sowjetunion aus Jahrmarkt. Waldkraiburg, 1995.

Nr. 3 Franz Urban: Die deutsche Besiedlung der Großgemeinde Jahrmarkt/Jahrmatha in den Banater Akten des Hofkammerarchivs Wien; 1996, 100 S.

Nr. 4 Adressbuch. Jahrmarkter in Deutschland, Österreich, Rumänien und Übersee. Erstausgabe 1999, weitere ergänzte Ausgaben 2000, 2001, 2004, 2005.



Wo komme ich her, wo geh ich hin, was ist meines Lebens Sinn?

Ach ja, werden manche sagen, das war einmal, es ist längst vorbei.

Was interessieren mich die alten Zeiten?

Ahnen sind für den nur Nullen,
Der selbst als Null zu ihnen tritt.
Setze dich an ihre Spitze,
Und die Nullen zählen mit.

Wilhelm Müller (1794 - 1827)
   

Pfarrer Franz Demele schrieb im Jahre 1913 in unserer ersten gedruckten Jahrmarkt-Monografie: Temesgyarmat. Ein Beitrag zur Geschichte der Entstehung und Entwickelung dieser Gemeinde und Pfarre:

„Eine lange Reihe dickbäuchiger Bücher steht da vor mir; alt, abgenützt, vielfach zerrissen und vergilbt, enthält ihr weites Inneres eine gleichsam unübersehbare Menge tausender Namen, immer nur Namen und Namen:  es sind die Matrikelbücher, welche auf dieser Pfarre seit nahezu 200 Jahren geführt werde.

Wer wird es wagen, diese endlose Namenreihe von beiläufig 20 dicken Bänden zu durchblättern?


Ich habe es gewagt. Und was ich dabei empfand, es ist ganz eigentümlich. Nicht etwa Langweile, Müdigkeit, sondern ganz etwas anderes.


Die Hände, welche jene vergilbten Seiten beschrieben haben, sind längst vermodert, die Träger dieser Namen längst von der Bildfläche der Erde verschwunden, ja sogar viele – viele jener Familien, denen diese Namen angehörten, sind gänzlich ausgestorben; das aber vermindert das Interesse dieser Folianten nicht. Im Gegenteil! Bei jedem Blatte, welches ich weiter wende, bei jedem Namen aus alter Zeit, auf dem mein Auge ruht, scheint es mir, als zerrisse jener Schleier immer mehr und mehr, der die Vergangenheit vor meinem Auge verhüllt und sie von der Gegenwart trennt und als sähe ich dann dort hinter jedem grauen Schleier der Vergangenheit längst dahingeschwundene Gestalten sich regen und bewegen; sehe, das die Menschen waren wie wir; dass sie kämpften und ruhten, liebten und hassten, sich freuten und trauerten, gerade wie die heutige Generation, und dann endlich vergingen, wie es auch die der Jetzeit tun werden.“


Pfarrer Franz Demele fragte im Jahre 1913: „
Wer wird es wagen, diese endlose Namenreihe von beiläufig 20 dicken Matrikelbücher zu durchblättern?“


Pfarrer Franz Demele hat es gewagt, rund neunzig Jahre später habe auch ich, Franz Junginger, es gewagt, die inzwischen rund 30 Matrikelbücher nicht nur durchzublättern, sondern jeden der 73.434 Einträge durchzuarbeiten. In über viertausend Stunden Arbeit ist unser Jahrmarkter Ortssippenbuch entstanden.


Auch ich habe wie Pfarrer Franz Demele vor 90 Jahren hinter den grauen Schleier der Vergangenheit schauen dürfen. Was ich gesehen habe? Ein aufschlussreiches Bild Jahrmarkter Geschichte, über Leben und Sterben, Werden und Vergehen, Anfang und Ende von Jahrmarkt. 

Wenn man sich Tausende Stunden mit den Jahrmarkter Matrikelbücher beschäftigt, wird einem bewusst, dass diese alten Zeiten einmal Gegenwart waren, und jede Gegenwart führt in eine Zukunft. So wie einst unsere Ahnen weggegangen sind von dem Ort, wo sie geboren wurden, so sind auch wir von Jahrmarkt weggegangen. Und wenn man nach den Spuren der Ahnen sucht, und an einem Ort steht, von wo die Ahnen abstammen, stellt man sich immer wieder die Frage: Warum sind sie weggegangen von hier? Das fragen wir uns heute, und das werden sich auch unsere Nachkommen fragen.


Im weiteren schrieb Franz Demele
: "Hätte jemand vor 100 Jahren den Versuch gemacht, die neuere Entstehung und Entwicklung der Gemeinde Temesgyarmat zu beschreiben, er hätte es noch leicht gehabt. Jedenfalls lebte damals noch mancher, der über die Anfänge der Gemeinde mündlich hätte berichten können. Diese Quelle mündlichen Berichts ist heute naturgemäß versiegt
.“


Wie dankbar sind wir heute Pfarrer Franz Demele, dass er 1913 für uns diese Monografie niederschrieb. Sind wir, die Erlebnisgeneration nach ihm,   es unseren Nachkommen nicht schuldig, über das Ende von „unserem Jahrmarkt“ zu berichten?
     

Jahrmarkt war für uns 270 Jahre Heimat. Was aber Heimat ist, weiß der am besten, der sie verloren hat. Jahrmarkt bleibt für uns alle, die dort geboren und gelebt haben, Heimat. Aus der sind wir unvertreibbar, wenn sich der langgezogene Kreis auch wieder geschlossen hat und wir eine neue Heimat gefunden haben.


Soll das alles umsonst gewesen sein? Sollen wir und unsere Ahnen, die in Jahrmarkt 270 Jahre gelebt, vom Mantel der Namen- und Geschichtslosigkeit zugedeckt werden und in die Sinnlosigkeit abgleiten? Diese Heimat wollen wir unseren Kindern und Kindeskindern weitergeben. Tausenden unserer Nachkommen wird es genauso ergehen wie heute den Amerikanern:
300 Jahre lang waren sie in erster Linie Amerikaner. Sie sind von überall aus Europa in eine bessere Zukunft gezogen (genau wie unsere Vorfahren damals in das Banat). In Amerika angekommen, waren sie mit ihrem Schicksal zufrieden und zurecht stolz auf ihre Freiheit, in der sie ihre Persönlichkeit erfolgreich entfalten konnten (wie wir jetzt in unserer neuen Heimat). Aber plötzlich merkten viele Amerikaner (nach der 300-Jahrfeier), dass ihnen etwas fehlt. Etwas ganz Wesentliches, der Schlüssel zu ihrem Selbstverständnis. Und sie fragten: Wer sind wir eigentlich? Woher kamen unsere Vorfahren? Denn ein Mensch, der nicht weiß, woher er kommt, der weiß auch nicht, wer er ist. Und wenn er nicht weiß, wer er ist, kommt er sich verlassen vor in dieser Welt. Viele dieser Amerikaner sind heute stolz auf ihre deutsche Herkunft. Sie sind stolz darauf, ihre Zugehörigkeitsheimat Deutschland entdeckt zu haben. Genau so stolz werden in Zukunft unsere Nachkommen einst sein, wenn sie erfahren, dass ihre Väter und Mütter Banater Schwaben waren, die weitab vom Mutterland in einem fremden Meer von Völkern ihre Sprache, ihre Sitten und ihre Gebräuche, ihren Glauben 270 Jahre bewahrten und verteidigten.

                                                                  Franz Junginger, Ulm  2007