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Russlanddeportation - 2012


Tief in Russland, bei Stalino...

Kaum sind die vielen schönen Feiertage vorbei, werden am 14. Januar unter unseren Landsleuten trübe, traurige, unvergessliche Erinnerungen wach, die sie ein Leben lang nicht zur Ruhe kommen ließen. Die Überlebenden dieser Zeit werden immer weniger, ihre Erlebnisse und Berichte aber klingen nach, betrüben auch noch uns als nachfolgende Generation.

Mit unseren Beiträgen zur Erinnerung an diesen einschneidenden Tag in der Geschichte unseres Dorfes bekundet der Vorstand seine Anteilnahme an dem unendlichen Leid. So etwas darf nie wieder passieren, diesen Worten schließen wir uns an. Stellvertretend für alle unsere Lieben lassen wir Katharina Scheuer sprechen, zuerst aber berichtet Hans Probst, ein Überlebender dieser schwer geprüften Generation, von seinen Erlebnissen.

Auch auf dem Jahrmarkter Friedhof stehen Grabsteine als stumme Zeugen für das unvergessliche Leid. Mütter und Väter wurden genommen, oft gleich zwei Söhne, wie bei Familie Reiss.

Nicht nur in Deutschland gedenkt man der Deportierten, auch in Temeswar wurde mit Unterstützung des Vorsitzenden des Hilfswerks der Banater Schwaben, Peter Krier, der Leidgeprüften gedacht. 



Der letzte und schlimmste Bericht
Erlebnisse aus der Deportation
Von Hans Probst (Jahrmarkt/Crailsheim) 

Wir zwei Flüchtlinge mussten vor Gericht. Ein Posten kam ins Lager und nahm uns mit. Wir wussten nicht wohin. Dann haben wir es erfahren: Draußen stand ein Lastwagen, am Lagertor erwartete uns der Geheimdienstoffizier, russisch NKWD, mit zwei Posten. Wir mussten auf den Lastwagen aufsteigen, wo es zur ersten Überraschung kam: Die Posten waren links und rechts, in der Mitte mein Kamerad Engel Franz aus Jahrmarkt. So sind wir zum Gericht gefahren. Jetzt ging es los. Engel Franz war der erste. Wegen Raub und Sabotage wurde er zu acht Jahren Straflager in Sibirien verurteilt. Danach waren wir beide dran. Die Sache war viel schlimmer. Wir wurden als politische Kriegsverbrecher eingestuft. Mein geänderter falscher Name war Graure Ion, nicht Probst Hans, mein Kamerad aus Siebenbürgen hieß jetzt Bartasch Petru, nicht Schnabel Peter. Unser Urteil: 12 Jahre Straflager in Saporosche, Lager Nr. 1086. Das Datum der Verurteilung war Montag, der 18. Januar 1947. Das war der schlimmste und schrecklichste Tag meines Lebens.

Fragment aus den unveröffentlichten Erinnerungen des Hans (Johann) Probst aus der Banater Gemeinde Jahrmarkt, geboren am 23. August 1927. Bei seinem Mitflüchtling handelte es sich um den gleichaltrigen Peter Schnabel aus dem siebenbürgischen Jakobsdorf. Nach einer 40tägigen Flucht aus dem Arbeitslager waren sie an der sowjetisch-rumänischen Grenze festgenommen und zurück gebracht worden. Der obenstehende Bericht bezieht sich auf den Prozess nach der missglückten Flucht. 
Alle drei Verurteilten haben die Jahre der Zwangsdeportation überlebt. Hans Probst und sein Vater waren am 14. Januar 1945 daheim festgenommen worden, Hans kam am Abend des 23. Dezember 1949 wieder in seinem Heimatort Jahrmarkt an. Im Jahre 1982 siedelte die Familie Probst in die Bundesrepublik aus, in Crailsheim fand sie eine neue Heimat. 2005 begannen Hans und seine Frau Magdalena, Jahrgang 1927, Aufzeichnungen über ihre Zeit in der Deportation zu machen. Sie hatten sich bei einem Heimkehrerball im Dorf 1950 näher kennengelernt und geheiratet. (Luzian Geier)

Johann und Magdalena Probst



So was soll nie wieder passieren
Meiner Mutter zum Gedenken und als Erinnerung an die Verschleppung 1945
Von Katharina Scheuer (geb. Gries)

Geschwister Seibert, Russland 1945

Meine Mutter wurde, wie viele unserer Banater Landsleute, im Januar 1945 als Mädchen in die Sowjetunion verschleppt. Aus ihrem Elternhaus wurden ihr Vater Nikolaus, ihr kaum 16jähriger Bruder Peter und meine damals 19 Jahre alte Mutter zwangsdeportiert. Zurück blieb meine Großmutter allein. Das war eine Situation, von der viele Familien betroffen waren. Schlimmer noch dort, wo kleine Kinder zurückblieben. In ihrem ganzen Leben hat meine Mutter nicht so oft und so viel über diese schlimme Zeit gesprochen, als in ihren letzten Lebenstagen. So wurde selbst mir erst jetzt richtig klar, wie sehr sie dieses Trauma ein Leben lang begleitet, bedrückt und belastet hat. Meine Mutter ist am 16. November 2011 verstorben.

Als das Buch „Allein die Hoffnung hielt uns am Leben“ von Hedwig Stieber-Ackermann erschienen ist, habe ich es ihr als Geschenk gekauft. Ich wollte ihr eine Freude machen. Sie hatte Hedi Ackermann persönlich gekannt, sie waren im gleichen Lager, in Iljanowka. Obzwar meine Mutter gerne gelesen hat, legte sie nach ein paar Seiten das Buch zur Seite ohne etwas zu sagen. Als ich sie danach fragte, sagte sie nur: „Ich kann es nicht lesen.“ Wenn ich ihr Grüße von Landsleuten ausrichtete, die im gleichen Lager waren wie sie, sagte sie immer: Wir waren doch zusammen in Russland, oder ich war doch mit seiner Mutter in Russland. Man fühlte sich durch das gemeinsam erlebte Schicksal ein Leben lang seelisch verbunden.

Als sie schon schwer krank war, genoss sie es, mit meiner Schwester und mir am Tisch zu sitzen und zu erzählen. Man konnte es drehen wie man wollte: Meine Mutter kam immer auf Russland zu sprechen. Unzählige Male hat sie die Worte gesagt: „So was soll nie wieder passieren.“ Durch ihre Krebserkrankung konnte sie die letzte Zeit nichts mehr essen. Dann erzählte sie immer wieder, wie schlimm es war, Hunger zu leiden. Sie sagte: „In Russland hätte ich essen können, da haben wir nichts bekommen, da war nichts. Jetzt hätte ich alles, jetzt kann ich nicht mehr essen.“ Als ich gemeinsam mit ihr die Russland-Erinnerungen von Probst Vedr Hans las, sagte sie: „So was habe ich Gott sei Dank nicht erlebt. Ich wurde nicht geschlagen, nicht verhaftet und nicht verurteilt. Aber es ist schon schlimm genug Hunger zu leiden und Kälte zu ertragen.“ Sie erzählte, dass die meisten im ersten Jahr der Verschleppung gestorben sind. Auch ihr Vater Nikolaus ist schon nach drei Monaten verstorben. Alles was sie damals an Essen bekamen war eine saure Gurken-Suppe. Das war stark gesalzenes Wasser mit ein paar sauren Gurken drin. Dadurch musste man viel trinken, der Magen wurde voll mit Wasser, das täuschte ein Sättigungsgefühl vor. Dazu gab es ein Stückchen Brot, auf welchem vorher Ratten herumgelaufen sind. Aber das spielte damals keine Rolle. Damit musste man aber Schwerstarbeit leisten. Meine Mutter hat auf dem Bau und danach beim Verlegen von Eisenbahngleisen gearbeitet. Sie mussten schwere Lasten tragen bei ungewohnt großer Kälte und fast nichts zu Essen. Die Leute sind bis auf Haut und Knochen abgemagert, dann haben sie „dicke Wasserbäuche“ bekommen und sind an Unter- und Mangelernährung gestorben. Sie sind verhungert. Andere sind infolge schwerer Krankheit und Arbeitsunfähigkeit nach „Ostdeutschland“ entlassen worden, in die damalige sowjetische Besatzungszone.

Meine Mutter wurde im April 1947 völlig geschwächt, abgemagert und schwer krank mit so einem Krankentransport in die Ostzone gebracht. Nach einer Quarantäne arbeitete sie in Bernsdorf bei Dresden bei einem Bauer. In Bernsdorf waren mehrere Jahrmarkter: Schwendnersch Wes Kathi (später verheiratete Neu) und ihr Vater, der Schwendnersch Vedr Hans, Pflegersch Wes Ami (Geier), das Ehepaar Johann und Anna Heidecker, die Tesche Wes Bawi. In jenem Jahr war ein sehr strenger Winter. Den Bauern sind die Kartoffeln im Keller erfroren. Sie warfen sie auf den Misthaufen. Damals hat meine Mutter an einem Tag 35 gefrorene, verfaulte Kartoffeln vom Misthaufen gegessen. Sie sagte, dass sie so nach zwei Jahren Hunger jetzt das erste mal wieder satt war.

Meine Mutter hat regelmäßig die Jahrmarkter Homepage verfolgt und sich immer auf die Banater Post gefreut. Sie war bis zu ihrem letzten Atemzug bei vollem Bewusstsein. Was sie aber nie verstehen konnte, ich ihr auch nicht klarmachen konnte, war, dass nicht alle nach Russland Verschleppten gleich eingestuft wurden: Die Einen sind nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG), bzw. nach § 18 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, die Anderen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (KgfEG) anerkannt worden. Das in Verbindung mit demselben Verbrechen. Abhängig war dies vom Einreisedatum in die Bundesrepublik Deutschland. Das konnte und wollte meine Mutter nicht verstehen, denn es betraf auch sie und ihren Bruder: Zwei Geschwister aus dem gleichen Haus zur gleichen Zeit in das gleiche Lager verschleppt, und doch unterschiedlich anerkannt. Es betrifft viele unserer Landsleute und könnte schwerwiegende Folgen für jene haben, welche nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz anerkannt wurden (die meisten). Diese wären von dem rumänischen Wiedergutmachungsgesetz 221/2009 ausgeschlossen. Das könnte bei den wenigen noch lebenden Betroffenen neue tiefe Wunden schlagen. Es sind heute hoch betagte Menschen, die Jüngsten sind 83 Jahre alt (Jahrgang 1928).

Meine Mutter ist tot. Ihre Worte aber sollen nicht vergessen werden: „So was soll nie wieder passieren.“ Das war einer ihrer letzten Sätze, die sie auf dem Sterbebett gesprochen hat. 
 
Russischer Entlassungsschein Katharina Seibert



Josef Kohn, 1903-1946, gest. in RusslandJohann Reiss, 1928-1947 - Niklos Reiss, 1922-1949
Katharina Essig mit Tochter Marie in Russland
Zeit und Ort unbekannt
In Russland
Stehend: Adam Reith und Josef Ferch. Sitzend: Johann Ruttner und Nikolaus Schmidt




Gedenkfeierlichkeiten zu 67 Jahren seit dem Beginn der Russlanddeportation
Reschitza, 18. und 19. Januar 2012


Programm

Reschitza
Reschitza
Reschitza




Gedenkfeier der Landsmannschaft der Banater Schwaben zur Deportation am 14.01.1945
auf dem Waldfriedhof in München, 14.01.2012


Ein Blick auf die Mitwirkenden:

Fahnenabordnung: aus Ingolstadt die Jahrmarkter Lazi Szekeres und Nikolaus Häcker, aus München Michael Grund;

Mitglieder des Bundesvorstandes mit dem Vorsitzenden Peter-Dietmar Leber, Stellvertretende Vorsitzende, Georg Ledig (Waldkraiburg),
Johann Metzger (Ingolstadt), der Vorsitzende des Kreisverbandes München Bernhard Fackelmann, der Vorsitzende der DBJT Harald Schlapansky;

Heimatpfarrer Peter Zillich, Bläserquartett, Banater Landsleute.

Von unseren Jahrmarkter Landsleuten war als Zeitzeuge, Peter Seibert mit Ehegattin Anna, Michael und Susanne Grund,
Peter und Magdalena Mathis, Rosemarie Wagner und Sohn Hermann, Elisabeth Gries und Katharina Scheuer.

Fotos wurde eingesandt von Katharina Scheuer.

Vielen Dank für die Mitarbeit!

Gedenkfeier in München zur Deportation, 14.01.1945
Gedenkfeier
Gedenkfeier
Gedenkfeier
Gedenkfeier
Gedenkfeier
Gedenkfeier
Gedenkfeier
Gedenkfeier




Die, die den Lebensmut nicht verloren haben
Besinnliche Adventsfeier der ehemaligen Russlanddeportierten im AMG-Haus
Von Balthasar Waitz/ Sonntag, 25. Dezember 2011

AMG 2011

Temeswar - Freudig begrüßte Elke Sabiel, Ehrenvorsitzende des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten aus Rumänien, seit Jahren Befürworterin und Unterstützerin dieses Vereins, die etwa 80 Vereinsmitglieder, alle im Alter von 80 und mehr, zur traditionellen Adventsfeier im AMG-Haus u.a. mit der Einladung „gemeinsam ein gemütliches Plauderstündchen zu begehen“.

Und diese Treffen, wie die ganze Problematik der Russlanddeportation vor der Wende noch ein trauriges, verschwiegenes Geschichtskapitel und ein Tabu-Thema, gestalten sich heute- zweimal pro Jahr werden sie mit Gedenkmesse veranstaltet- für die, die den Lebensmut nicht verloren haben, stets nicht nur zu einer Stunde der Rückbesinnung auf den gemeinsamen Leidensweg sondern auch zu einem freudigen Wiedersehen. Es sind 66 Jahre seit der Russlanddeportation der Deutschen aus Rumänien vergangen, doch das Erinnern und Gedenken ist Ende 2011 von gleichbleibender Bedeutung für die deutsche Gemeinschaft.

Heuer gab es Anlass zu einer besonderen Freude: Dr. Christoph Berger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, hatte den ehemaligen Russlanddeportierten eine schöne Grußbotschaft übermittelt, Weihnachtspäckchen und die Organisierung dieser Adventsfeier in Temeswar und in vielen Ortschaften des Landes finanziert. „Als Deutsche aus Rumänien wurde Ihnen in der Vergangenheit schweres Leid zugefügt“, heißt es treffend in dem Grußwort. „Ich kann Ihnen versichern, dass Sie nicht vergessen sind.“

Mit dabei an festlich gedeckten Tischen im AMG-Saal waren als Ehrengäste langjährige Freunde der Russlanddeportierten, u.a. der DFDB-Vorsitzende Dr. Karl Singer, Helmut Weinschrott, Vorsitzender der AMG-Stiftung, Dagmar Siclovan, DFDT-Geschäftsführerin und die deutsche Unternehmerin Ramona Lambing.

Ignaz Bernhard Fischer, der umsichtige und noch rüstige Vorsitzende dieses Landesvereins: In Rumänien leben noch etwa 1500 ehemalige Russlanddeportierte, im Kreis Temesch sind es350 und in Temeswar noch etwa 150, erinnerte er in seiner wie stets mit Gefühl und Pathos gesprochenen Festrede nicht nur an das nun schon sechs Jahrzehnte zurückliegende persönliche Leid und kollektive Unglück der Rumäniendeutschen, sondern auch an den alles rettenden Glauben und die unverlorene Hoffnung: „Wie soll die Freude entstehen und gedeihen? Das bringt uns diese Zeit der Besinnlichkeit, das Weihnachtsfest mit seiner freudigen Botschaft.“

Zu einer richtigen Überraschung gestaltete sich diesmal das musikalische Ein-Mann-Programm: Der gebürtige Banater Rudolf Nikolaus Pilly, seit Jahren in Kalan lebend, spielte an der Handsäge berühmte Stücke der klassischen Musik u.a. von Mozart, Beethoven, Liszt aber auch Evergreens wie La Paloma, beliebte Weihnachts- und Volkslieder. Die ehemaligen Russlanddeportierten erhielten bei dieser Gelegenheit je ein Weihnachtspäckchen mit Süßwaren und ein Exemplar des Buches „Bucuresti.Berlin.Bruxelles“ des DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganţ und des neuen DFDT-Jahrbuches 2012.